Aus einer E-mail zur Veröffentlichung mit den Chroniken:
Chronik
Katzenelnbogen Aar-Einrich
Prof. Dr. Alexander Demandt über die Grafen und den Riesling
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Klaus Kleinfisch, der Keller oder Verwalter, legte 1435 im Süden der Burg
Rüsselsheim wie von seinem Herrn Graf Johann IV von Katzenelnbogen
befohlen einen neuen Weinberg an. Für 22 Schillinge hatte er Setzreben
einer neuen weißen Rebsorte gekauft. Diese Rebsorte war qualitativ
wesentlich besser, von deutlich fruchtigerem Aroma aber auch
frostbeständig. Graf Johann hat mit dieser Entscheidung zugunsten des
Rieslings - einer sehr langfristigen und deshalb auch kostspieligen
übrigens, da Weinberge gut und gerne mehrere Jahrhunderte bestehen - eine
Revolution im Weinbau ausgelöst. Bis zum Auftauchen des Rieslings
unterschied man nach Farbe zwischen rotem, weissem und schwarzem, und nach
Wohlgeschmack zwischen hunnischem (schlechterem) oder frenschen (besserem)
Wein, der auch noch im Mischsatz angepflanzt wurde. Noch 1402 ließen die
Mainzer Erzbischöfe keine anderen Weine als ihre geschmacksärmeren aber
ergiebigeren frenschen Weine zu. Doch nach den rüsselsheimer Weinlesen
folgte eine rasante Ausbreitung der Rieslingrebe rheinabwärts und der
Riesling erlebte seine erste Blüte bis die Wirren der Reformation dem
Streben nach aussergewöhlich guten Weinen in Deutschland ein Ende machten.
Graf Johann VI von Katzenelnbogen hatte 1422 in der pompösesten
Grafenhochzeit des Mittelalters zwei der mächtigsten Grafschaften des
Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation durch die Heirat seines Sohnes
Philipp dem Älteren mit Anna von Württemberg vereint, die mailänder
Kultur nach Katzenelnbogen brachte. Dessen Schwiegervater Landgraf
Heinrich I von Hessen schwärmte beim Ableben des letzten Grafen von
Katzenelnbogen 1479 von dessen Gold- und Silberschatz und vollen
Weinkellern. Die Hofhaltung wurde immer fürstlicher, sodass 50 000 Liter
Weinjahresverbrauch pro Burg keine Seltenheit war und ihr Handel alleine
im Templerhof Mainz 1436 eine zollfreie Menge von 150 000 Liter Wein
erlaubte. Die Grafen waren märchenhaft reich, förderten die Kunst und
bezahlten schon mal einen Künstler wie Walther von der Vogelweide mit
einem Diamanten für die wohlgesonnene Erwähnung in seinen Liedern. Sie
beschützten ihren Besitz durch mächtige Burgen, bauten das erste Bollwerk
Deutschlands, der Burg Auerbach und trotzten ihren Feinden auf der größten
Burganlage Deutschlands der Rheinfels, wo sich auch der größte deutsche
Weinkeller befindet. Sie waren machthungrig aber gebildet. Ihrer korrekten
und umfangreichen Rechnungsführung haben wir es zu verdanken, dass wir
soviel über sie wissen, obwohl nur eine chinesische Porzellanschale, der
erste China-Import der Geschichte übrigens, und die älteste Glühweinkanne
der Welt an persönlichem Eigentum von Ihnen übrig geblieben ist. Mehrere
tausend Schriften zeigen die Entwicklung der Grafschaft und geben einen
Einblick in die erste Blütezeit des Weinanbaus in Deutschland.
Den Riesling haben sie uns geschenkt, ein Zeichen nach sovielen
Jahrhunderten ihr Erbe zu bewahren und mit Stolz ihr Andenken zu ehren.
Mögen auch viele Nachfolger den Riesling zu einem modernen Spitzenwein
veredelt haben, waren es doch sie, die Grafen von Katzenelnbogen, die mit
Geld und Weisheit die Basis für die bedeutendste Rebsorte Deutschlands und
eine der bedeutendsten Reben der Welt geschaffen haben.