Kultur und Leben am Hofe der Katzenelnbogener Grafen

von Karl E. Demandt

 

 

 

Die Katzenelnbogener Grafen tauchen um die Wende des 11. Jahrhunderts im Gebiete des Mittelrheins auf, werden im Verlauf der staufischen Kaiserzeit als Persönlichkeiten für uns greifbarer und lassen sich seit Beginn des 13. Jahrhunderts immer schärfer und klarer fassen, bis sie im Jahre 1479 mit dem Tod Graf Philipps von Katzenelnbogen d. Ä. (St) wieder ins Dunkel zurücktreten. Einzelne Teilungen haben Besitz und Macht dieses im 12. Jahrhundert aus kleinsten Anfängen aufgestiegenen Hauses zwar zuweilen geschmälert, aber doch nicht vermocht, seinen zuletzt ungewönhlichen Aufstieg entscheidend zu hemmen. Im Jahre 1403 wurden dann die seit etwa 1263 getrennten beiden Hauptlinien unter Graf Johann von Katzenelnbogen IV. (St) wieder vereinigt. Er führte die Grafschaft während seiner vierzig jährigen Regierung seiner Blüte entgegen, deren volle Entfaltung unter seinem Sohne Graf Philipp von Katzenelnbogen d. Ä. (St) den politischen Höhepunkt der Katzenelnbogener Grafschaft darstellt. Dann brach der Tod diesen Aufstieg ab. Philipps von Katzenelnbogen (St) einziger legitimer Sohn Philipp d. J. (St) starb im Jahre 1453. Damit wurde Landgraf Heinrich von Hessen III. (St) als Gemahl der Gräfin Anna von Katzenelnbogen (St), der einzigen Tochter Philipps von Katzenelnbogen d. Ä. (St), im Jahre 1479 Erbe der Grafschaft.

Dieser für uns aufgehellte Zeitraum von 300 Jahren katzenelnbogener Geschichte beginnt und endet in zwei der künstlerisch hervorragendsten Epochen des deutschen Mittelalters. Er erhebt sich im Banne der großen Kultur des staufischen Kaisertums und endet in der Frühzeit der spätmittelalterlichen deutschen Kulturentfaltung. Beide Epochen bilden daher den tragenden Grund der folgenden Ausführungen, doch bringt es die Überlieferung mit sich, dass dabei das späte Mittelalter und die beiden letzten katzenelnbogener Grafen Johann von Katzenelnbogen IV. (St) und Philipp von Katzenelnbogen (St), stärker hervortreten. Was dabei an zeitlicher Ausdehnung verlorengeht, wird an inhaltlicher Dichte gewonnen, und vor allem können wir so Kultur und Leben auf zwei Persönlichkeiten beziehen, deren Wesen greifbar vor uns steht und deren Wirksamkeit in die politisch bedeutsamste Epoche der katzenelnbogener Geschichte fällt.

Die Grafschaft bestand im 15. Jahrhundert im wesentlichen aus zwei großen von einander getrennten Gebieten. Die Obergrafschaft dehnte sich zwischen unterem Main, mittlerem Rhein und Odenwald aus. Verwaltungsmittelpunkt und Residenz war seit dem 14. Jahrhundert Darmstadt. Die Niedergrafschaft umfaßte in der Hauptsache das durch Wisper, Aar, Lahn und Rhein begrenzte Land auf dem Einrich, dessen Hauptverwaltungssitz Hohenstein und dessen Residenz seit dem 13. Jahrhundert Rheinfels war. Dazu kamen Teile der Grafschaft Diez und kleinere Gebiete auf dem Westerwald, in der Wetterau, in der Herrschaft Eppstein und auf dem Hunsrück. Wesentlich ist, dass sich außerdem eine förmliche Kette kleiner aber wichtiger katzenelnbogener Besitzungen am Rhein entlang zog. Die Grafen besaßen Rechte, vor allem Zölle oder Zollanteile in Gernsheim, Mainz, St. Goar, Boppard, Braubach, Rhens, Rolandseck, Linz, Bonn und Düsseldorf; sie gehörten seit dem 13. Jahrhundert der kaiserlichen Burgmannschaft Oppenheim an und haben schon früh Bürgerrechte in Mainz, Oberwesel, Koblenz und Köln erworben. Schließlich erteilte der staufische Kaiser Ludwig der Bayer (St) im Jahre 1330 dem Graf Wilhelm von Katzenelnbogen I. (St) das Privileg der Zollbefreiung von allen Reichszöllen am Rhein. Deutlich wird die außerordentliche Bedeutung des Rheinstromes für die Grafschaft sichtbar. Er war ihr Lebensnerv und das starke Band, das Nieder - und Obergrafschaft trotz ihrer räumlichen Trennung zusammenhielt.

Ein Kranz von Burgen durchzog dieses Land. Lichtenberg und Reinheim im Odenwald, Zwingenberg und Auerbach an der Bergstraße, Darmstadt und das nordwestlich davon gelegene Dornberg, Stadecken in Rheinhessen, Rüsselsheim am Main, Hohenstein über der Aar und die benachbarten Burgen Katzenelnbogen und Burgschwalbach, Hadamar, Ellar und Driedorf auf dem Westerwald und die Schlösser am Rhein Braubach, Rheinfels, Neukatzenelnbogen und das nahegelegene Reichenberg gaben dem Lande Schutz vor inneren und äußeren Feinden und waren zugleich Sitze der gräflichen Verwaltung. Ihr im 15. Jahrhundert zu überragender Höhe ausgebildeter Organismus ermöglichte es den katzenelnbogener Grafen, aus der natürlichen Fruchtbarkeit des Landes und den unerschöpflichen Quellen der Rheinzölle eine Finanzkraft zu entwickeln, die ihnen in Verbindung mit einer bemerkenswerten politischen Begabung zu ungewöhnlichem, sich über ganz Westdeutschland erstreckenden Einfluß verhalf. In einer Zeit weitgehender territorialer Erstarrung gelang den Grafen Johann von Katzenelnbogen IV. (St) und Philipp von Katzenelnbogen (St), Erwerbung über Erwerbung an sich zu bringen und so die Grenzen ihres Landes in beträchtlichem Maße auszuweiten.

Ich möchte sie nicht durch eine Aufzählung dieser Erwerbungen im Einzelnen ermüden. Um ihnen einen Vorstellung von dieser wirtschaftlichen und politischen Macht der letzten katzenelnbogener Grafen als den Fundamenten ihres so großartig entfalteten höfischen Lebens zu geben, genügt es, darauf hinzuweisen, dass Graf Johann von Katzenelnbogen IV. (St) eine Summe von nahezu 55000 Gulden zur Vergrößerung seiner Grafschaft aus seine Lande herauswirtschaften konnte, ohne dessen Finanzkraft in irgendeiner Weise zu erschöpfen; denn Graf Philipp von Katzenelnbogen (St) vermochte dafür einen Betrag von etwa 250000 Gulden aufzubringen - beinahe das Fünffache des Betrages, den Graf Johann von Katzenelnbogen IV. (St) verfügbar hatte, eine, an der Größe des Landes gemessen, außerordentliche Summe. So war, wie schon Wenck es ausgesprochen hat, Graf Philipp von Katzenelnbogen (St) tatsächlich die allgemeine Geldquelle am Rhein, aus der fast alle Anlieger und insbesondere die finanziell stark zerrütteten drei rheinischen Erzbistümer geschöpft haben, denn an sie allein hatte Philipp von Katzenelnbogen (St) etwa 100000 Gulden verpfändet. Ein Beispiel möge genügen, seinen spichwörtlichen Reichtum zu charakterisieren. Im Jahre 1446 setzte er seiner an den Landgrafen Heinrich von Hessen III (St) verlobten Tochter Anna von Katzenelnbogen (St) außer einer ihrem Stande angemessenen Gabe an Kleidern, Kleinodien, Schmuckstücken und Silbergeräten eine Brautgabe von 36000, dann 40000 Gulden und damit die höchste Mitgift aus, die jemals ein mittelalterlicher hessischer Landgraf erheiratete. Das Bezeichnende daran aber ist, dass Graf Philipp von Katzenelnbogen (St) nicht etwa genötigt war, mit dieser Summe sein Land unmittelbar zu belasten, sondern sie aus seinem Kapital anweisen konnte, indem er die Mitgift seiner Tochter Anna (St) nach ihrer Heirat im Jahre 1459 mit fünf Pfandbriefen der rheinischen Kurfürsten finanzierte: zwei kurtrierischen Pfandverschreibungen auf den Bopparder Zoll in Höhe von 18000 Gulden, zwei kurkölnischen Pfandbriefen auf Rolandseck und Rhens in Höhe von 16000 Gulden und einer kurpfälzischen Pfandverschreibung auf den Bopparder Zoll in Höhe von 6000 Gulden. Dieser Reichtum von dem Graf Phiipp von Katzenelnbogen (St) gleich zu Beginn seiner Regierung ein solch eindrucksvolles Zeugnis abzulegen vermochte, bestätigte sich dann im Laufe der Jahre immer wieder und gab endlich noch seinem Erben, Landgraf Heinrich von Hessen III (St) , den Beinamen, "der Reiche".

Vergegenwärtigen wir uns dazu die politische Stellung der katzenelnbogener Grafen innerhalb dieses engeren mittelrheinischen Gebietes, dann zeigt sich, dass diese ihrer wirtschaftlichen Bedeutung zum mindesten gleichkam. Das Lehnsverhältnis zu den vier rheinischen Kurfürsten, dem Bistum Würzburg und den großen Fürstabteien Fulda und Prüm; die verwandtschaftlichen Beziehungen zu den Herzögen von Jülich, den Grafen und Herren von Nassau, Sponheim, Württemberg, Hanau und Isenburg-Büdingen; der bedeutende katzenelnbogener Lehnstaat, dessen Träger zu beiden Seiten des Rheines von Baden bis nach Köln saßen, und die mit so großem Erfolg betriebene eigene Territorialpolitik - sie allesamt wirkten sich in einer kaum jemals unterbrochenen bedeutenden politischen Aktivität des Katzenelnbogener Hofes aus, die seine ständige Beteiligung an den politischen Ereignissen jenes Gebietes zur Folge hatte. Infolgedessen sehen wir die Grafen immer wieder unter Einsatz ihrer oft augenfälligen diplomatischen oder militärischen Befähigung an Sühnen und Austrägen und sonstigen politischen Verhandlungen zwischen den rheinischen Großen lebhaft beteiligt oder mit der Durchführung wichtiger Sonderaufgaben im Westen des Reiches betraut. Hier sei nur die zeitweilige Übertragung der Reichsvogtei in Zürich, der Reichsabtei Fulda, der Reichsamtmannschaft in Oppenheim, der Reichsvogtei in der Wetterau oder der Statthalterschaft in Luxemburg genannt; es sei auf ihre Beteiligung an größeren militärischen Aktionen in den angrenzenden rheinischen Gebieten hingewiesen, von denen der Zug des deutschen Königs Karls von Luxemburg IV. (St) gegen Lüttich 1346, die Schlacht bei Baesweiler zwischen dem kaiserlichen Halbbruder Herzog Wenzel von Luxemburg (St) und Wilhelm von Jülich im Jahre 1371, die Kämpfe gegen die Armanjaken sowie die Soester und die Mainzer Stiftsfehde erwähnt seien. Selbstverständlich gehörten die Katzenelnbogener auch den größeren politischen Bünden ihrer Zeit und Lande an, wie dem Sternerbund und der Gesellschaft mit dem Löwen, wobei das mit anderen Akten dieser Gesellschaft im Katzenelnbogener Archiv überlieferte Mitgliederverzeichnis des Löwenbundes einen bezeichnenden Beitrag zur Dichte der allein hierauf begründeten politischen Beziehungen der katzenelnbogener Grafen nach Oberdeutschland darstellt.

Sehen wir davon ab und prüfen stattdessen nur die Liste der in der Mitte des 15. Jahrhunderts auf Rheinfels bezeugten rheinischen Herren, dann fällt es schwer, eine der bedeutenderen Persönlichkeiten nicht nachzuweisen. Unter den ständigen, oft mehrere Male im Jahre zu Besuchen, Tagungen oder auf der Durchreise in Rheinfels anwesenden Gästen begegnen uns fast regelmäíg die Erzbischöfe von Trier, Mainz und Köln, die Pfalzgrafen, die Herzöge von Jülich und Berg, die Grafen von Nassau, Virneburg, Mörs, Geldern, Sponheim, Solms, Sayn und Isenburg-Büdingen und die Ratsleute von Köln, Mainz oder Frankfurt. Dazu sehen wir bei gelegentlichen, systematisch nur schwer zu erfassenden, Besuchen die Herzöge von Bayern, die Markgrafen von Baden, die Grafen von Württemberg, die Landgrafen von Hessen und viele andere geistliche und weltliche Herren auf Rheinfels und in St. Goar. Darüber hinaus aber gewinnen wir ein unvergleichlich anschauliches Bild von den umfassenden katzenelnbogener Beziehungen zu den benachbarten Höfen, Herren und Städten, wenn wir die in hervorragender Geschlossenheit überlieferten katzenelnbogener Korrespondenzen, namentlich des frühen 15. Jahrhunderts - dem kein anderes Herrschaftsarchiv unseres Gebietes und im übrigen nur die Reichsstadt Frankfurt und die Hansestadt Köln Gleichwertiges zur Seite zu stellen haben - in Verbindung mit den gräflichen Botenregistern zur Aussage veranlassen. Da eine solche in diesem Rahmen nur beispielhaft angedeutet werden kann, beschränken wir uns auf eine Erwähnung ausgewählter Orte und zwar solcher, die von den katzenelnbogener Boten nur von Rheinfels aus in einem einzigen Jahre 1449 wiederholt angelaufen wurden, um darzutun, wie weitgespannt das engmaschige Netz der persönlichen und allgemein politischen Verflechtung des katzenelnbogener Grafenhauses über Westdeutschland gezogen war. In diesem Jahre 1449 waren seine Knotenpunkte u.a.: Köln, Wünneberg, Gemünden, Jülich, Koblenz, Welnach, Bonn, Waldeck, Zons, Kiedrich, Eltville, Kastellaun, Heidelberg, Mainz, Niedeck, Monreal, Ehrenbreitstein, Winterheim, Wittlich, Engers, Bacharach, Eberbach, Simmern, Kirburg, Molsberg, Cochem, Alzey, Schleiden, St. Vith, Dittingen, Limburg, Eltz, Runkel, Hohensolms, Hachenburg, Düsseldorf, Lahneck, Nassau, Lahnstein, Bitburg, Reifferscheidt, usw.

Wichtiger aber als diese angedeuteten engeren politischen und wirtschaftlichen Voraussetzungen und Fundamente, auf die sich ldeen und Kultur des katzenelnbogner Hofes gegründet haben, sind die größeren politischen Verbindungen und Einflüsse, die auf die Gestaltung des Lebens an diesem Hofe eingewirkt haben. Zwei Faktoren sind hier von besonderer Wichtigkeit; die Beziehungen der katzenelnbogener Grafen zu Kaiser und Reich und ihre Verbindung mit dem äußersten deutschen Osten und Westen, mit Böhmen und Mähren einersteits und den Niederlanden, Brabant und Luxemburg andererseits.

Die unermüdliche und hervorragende Tätigkeit der katzenelnbogener Grafen im Dienste von Kaiser und Reich stellt zweifellos eine der größten und glanzvollsten Seiten der Katzenelnbogener Geschichte dar. Sie spricht uns noch heute aus dem bedeutenden, alle anderen weltlichen Herrschaftsarchive unseres Gebietes überragenden Schatz der Kaiser- und Königsurkunden des gräflichen Archivs an, aus denen wir immer wieder entnehmen können, in welcher Weise die deutschen Herrscher die Dienste der Grafen bewertet haben. Und hierbei handelt es sich nicht um Formeln, denn die zahlreichen und wichtigen kaiserlichen Gnadenerweisungen und Privilegien, die für den Aufstieg des Katzenelnbogener Grafenhauses von entscheidender Bedeutung geworden sind, Erweise, dass Leistung und Verdienst bei diesem Geschlecht, das zunächst keinerlei territoriale Machtmittel, sondern nur die persönliche Befähigung, Bereitschaft und Hingabe seiner Mitglieder einzusetzen hatte, einander entsprachen. Das lassen schon die ersten wenigen Zeugnisse der staufischen Kaiserzeit erkennen.

Graf Hermann von Katzenelnbogen (St) stand bei Friedrich Barbarossa, der ihm 1173 das Bistum Münster verlieh, in vorzüglicher Gnade. Er ist mit dem Kaiser wahrscheinlich wiederholt nach Italien gegangen, war 1162 bei der Zerstörung von Mailand zugegen und begleitete seinen Herren auch auf dessen bekannten Kreuzzug im Jahre 1189/90. Der münsteraner Bischof Hermann von Katzenelnbogen (St) behauptete seine ausgezeichnete Stellung auch unter Kaiser Heinrich VI., dann verlieh ihm Kaiser Otto IV das Hofkanzleramt. Graf Diether von Katzenelnbogen III (St) wird 1214 im Dienst Kaiser Friedrichs II. bezeugt. Er nahm damals an der Belagerung von Jülich teil und war kurz darauf bei der Krönung Friedrichs II. in Aachen zugegen. Und nun beginnen sich die Nachrichten über die katzenelnbogener Grafen im Dienste von Kaiser und Reich zu mehren, um ihren großartigen Höhepunkt unter Graf Eberhard von Katzenelnbogen I. (St) zu erreichen. Er war neben dem Burggrafen Friedrich von Zollern-Nürnberg der engste Berater König Rudolfs von Habsburg (St), oft als Richter des Hofgerichtes, dann wieder als Gesandter des Königs tätig, aber auch sein treuer Gefolgsmann im Kampf und sein unermüdlicher und erfolgreicher Beauftragter in den oberrheinischen Landen. Er erscheint daher fast dauernd in der Umgebung des Königs, begleitete ihn auf fast allen Zügen, war auf den meisten seiner Reichs- und Hoftage anwesend und kehrt daher auch ständig und so oft in den königlichen Urkunden wieder, dass es an dieser Stelle unmöglich ist, alle seine Verdienste um König Rudolf von Habsburg (St) darzutun. Die gleiche Stellung bewahrte Graf Eberhard von Katzenelnbogen I. (St) unter König Adolf von Nassau (St), dessen Onkel er war, und so hoch war sein Ansehen gestiegen, dass ein gleichzeitiger Chronist zur Wahl Adolfs von Nassau (St) bemerkt, man habe einstimmig den Schwestersohn Graf Eberhards von Katzenelnbogen I. (St) zum römischen König erwählt; und selbst Eberhards von Katzenelnbogen I. (St) Bruder, Graf Diether von Katzenelnbogen V. (St) , der 1276 starb, erscheint im Nekrolog des Kloster Klarenthal unter der Bezeichnung; Onkel des Königs. Eberhard von Katzenelnbogen I. (St) lieh König Adolf von Nassau öfters namhafte Beträge, hatte an dessen wichtigsten Staatsangelegenheiten teil, so an den Verhandlungen mit König Eduard I. von England gegen Philipp den Schönen von Frankreich, er begleitete den König auf seinen Zügen ins Elsaß, in die Schweiz und nach Thüringen und focht schließlich auch mit ihm den letzten Kampf auf der Göllheimer Heide aus. Eberhard von Katzenelnbogen I. (St) geriet dabei in Gefangenschaft, doch gab ihn der österreichische Herzog Albrecht von Habsburg (St) sofort wieder frei, suchte als König ebenso wie seine Vorgänger seinen Rat und ließ es nicht an Gnadenerweisungen fehlen. So legte Graf Eberhard von Katzenelnbogen I. (St) durch getreue und unermüdliche Dienste für drei deutsche Könige das Fundament, auf das sich die steigende Macht seinens Hauses gründete.

Graf Diether von Katzenelnbogen VI (St) führte diese Tradition fort und leistete Kaiser Heinrich von Luxemburg VII. (St) auf seinem bekannten Romzuge in dessen engster Umgebung wertvolle Dienste. Er machte den schweren Sturm auf Brescia mit und war an jenen erbitterten Kämpfen in Rom, der Straßenschlacht vom 26. Mai 1312 und der Erstürmung des Grabmals der Caecilia Metella, führend beteiligt. Selbstverständlich wohnte er auch der Krönung Heinrich von Luxemburg VII. in Rom bei. Ein ihm dort vom Kaiser verliehenes Privileg feiert seine Verdienst. Nach Heinrichs Tode diente er Friedrich dem Schönen von Österreich, war 1314 bei dessen Krönung in Bonn zugegen und geleitete den König zum Hoftag nach Basel, wo ein unglücklicher Stoß im Turnier das ritterliche Leben Diethers von Katzenelnbogen VI. (St) beendete.

Und so wäre dieser Bericht fortzusetzen. Wir sehen die Katzenelnbogener 1330 in Trient bei Kaiser Ludwig dem Bayern (St), 1346 auf dem Zuge Karls IV. gegen Lüttich, 1349 bei dessen Krönung in Aachen und 1356 auf den Reichstagen zu Nürnberg und Metz beim Abschluß der goldenen Bulle; und während Graf Diether von Katzenelnbogen (St) 1376 an der Krönung Wenzels von Luxemburg (St) in Aachen teilnahm, war gleichzeitg Graf Eberhard von Katzenelnbogen V. (St) führendes Mitglied der Gesandtschaft Wenzels von Luxemburg (St) an Papst Gregor XI, um mit diesem über Salbung, Weihe und Krönung des Königs zu verhandeln. Und wie oft findet sich nicht sonst noch die Bemerkung, als der Graf zum König wollte, bei ihm war oder von dort wiederkam, in unseren Rechnungen, Registern und sonstigen Quellen.

Diese Auswahl aus der großen Zahl der Zeugnisse zeigt, wie weit gespannt der Rahmen war, in dem sich das Leben der katzenelnbogener Grafen bewegte, und welche Fülle von kulturellen Anregungen und Verpflichtungen diese Tätigkeit im Dienst des Kaisers gewähren und fordern mußte.

Jedoch sind damit die Grenzen noch nicht abgesteckt, nicht nur in das innere Deutschland, nach Italien, ja bis in den Orient erstreckte sich das Wirkungsfeld der Grafen von Katzenelnbogen, es weitete sich in gleicher Weise auch nach Osten und Westen aus. Diese in untrennbarer Verflechtung verwobenen Beziehungen vedienen besondere Beachtung. Böhmen und Mähren bildeten den Mittelpunkt der Verbindungen des Grafenhauses mit dem Osten. Sie werden zum ersten Male im Jahre 1261 greifbar, denn damals war Graf Diether von Katzenelnbogen (St) bei der durch den mainzer Erzbischof Werner von Eppstein (St) vollzogenen Krönung König Ottokars von Böhmen in Prag zugegen. Wenige Jahre darauf ging ein Katzenelnbogener noch weiter nach Osten. Graf Gerhard von Katzenelnbogen (St), wahrscheinlich ein Sohn Graf Eberhards von Katzenelnbogen I. (St) wird 1279 und 1280 als Vizemeister des Schwertbrüderordens in Livland bezeugt. Kurz darauf aber nahm Graf Eberhard von Katzenelnbogen I. (St) auch Beziehungen zum äußersten Westen des Reiches auf und trat mit den Herzögen von Lothringen und Brabant in Verbindung. 1292 rühmt Herzog Johann von Brabant die ihm von Eberhard von Katzenelnbogen I. (St) erwiesenen vielfachen Dienste, und im gleichen Jahre erscheint der erwähnte Graf Gerhard von Katzenelnbogen als Propst von Utrecht. 1294 wurde Eberhard von Katzenelnbogen Lehnsmann König Eduards I. von England, mit dem er im Auftrage König Adolfs von Nassau zusammen mit Hartrad von Merenberg und dem Kölner Dompropst Wiebold die Verhandlungen gegen Philipp den Schönen führte, in deren Auswirkung er 1297 mit Graf Guido von Flandern gegen Frankreich kämpfte.

Am wichtigsten sind jedoch in unserem Zusammenhang die Verbindungen der Katzenelnbogen mit den luxemburger Grafen geworden, die unter Johann König von Böhmen, dem Sohne König Heinrichs VII., dem tatkräftigen Vater Kaiser Karls IV., im Jahre 1324 erstmals festere Gestalt erhielten. Damals gewann der König Graf Eberhard von Katzenelnbogen I. (St) für seine Dienste, und im Jahre 1339 gelang es Johann, den bisher von König Ludwig dem Bayern (St) außerordentlich begünstigten Grafen Wilhelm von Katzenelnbogen I. (St) ebenfalls in seine Dienste zu ziehen. Er wurde damals, wie schon Graf Johann von Katzenelnbogen 1324 Lehnsmann König Johanns von Böhmen in dessen Eigenschaft als Graf von Luxemburg, und zugleich bekannte sich dieser 1339 als Schuldner Graf Wilhelms von Katzenelnbogen I. (St), dem er für französische Kriegsdiesnste nahezu 2000 Gulden schuldig blieb. Im Kampfe zwischen Ludwig dem Bayern (St) und Karl IV, um die die deutsche Königskrone gelang es schließlich dem Vater Karls noch im Jahre seines Todes 1346 auch den Grafen Johann von Katzenelnbogen zu gewinnen, nachdem der König damals mit Hilfe Erzbischof Baldewins von Trier, der gleichfalls dem luxemburgischen Hause entstammt, Zwistigkeiten zwischen den Grafen Wilhelm von Katzenelnbogen II. und Johann von Katzenelnbogen beigelegt hatte. Zwar zeigte sich Graf Johann von Katzenelnbogen, der 1343 wieder in enger Beziehungen zu Herzog Johann von Burgund getreten war, schon 1348 zusammen mit Graf Eberhard von Katzenelnbogen bereit, dem Erzbischof Heinrich von Mainz drei Jahre lang mit 40 Gepanzerten gegen König Karl von Böhmen und dessen Anhänger zu dienen, und verpflichtete sich 1349 endlich dem Gegenkönig Karls, dem Grafen Günther von Schwarzburg, doch blieb diese Haltung Graf Johanns von Katzenelnbogen infolge des schon bald erfolgten Todes des Gegenkönigs ohne Bedeutung, zumal sich Karl IV noch im gleichen Jahre der Dienste der Brüder Wilhelm von Katzenelnbogen II. (St) und Eberhard von Katzenelnbogen versicherte.

Diese politische Entscheidung ist für das kulturelle Leben an den gräflichen Höfen zweifellos von großer Bedeutung geworden, denn die unter Karl IV. in Böhmen erblühende deutsche Kultur hat auch die im Dienst der in der Nähe so oft bezeugten Grafen immer wieder berührt und damit befruchtet, worauf später noch hinzuweisen sein wird.

Die damit angeknüpften und gefestigten luxemburgisch-böhmischen Beziehungen der katzenelnbogener Grafen wurden auch infolge der Verpfändung Luxemburgs durch König Wenzel an den Markgrafen Jost von Mähren nicht getrübt, sie erfuhren vielmehr unter diesem ihre höchste Steigerung. Er bestelllte im Jahre 1394 den Grafen Diether von Katzenelnbogen VIII (St) zum Hauptmann von Luxemburg. König Wenzel bestätige diese Ernennung noch im gleichen Jahre, und als der Markgraf 1395 dem Graf Diether den Sonderauftrag zum Schutze des Landes gegen des Grafen von St. Paul (St) erteilte, bestätigte König Wenzel (St) von Prag aus auch dieses. Der Sieg, den Graf Diether von Katzenelnbogen VIII (St) über den Grafen von St. Paul (St) errang, ist bekannt; zu dieser militärischen Behauptung seiner Position trat die vom Markgrafen anerkannte gute Verwaltung des Landes, die Ende 1395 zu einer nochmaligen Erweiterung der Vollmachten Graf Diethers von Katzenelnbogen VIII (St) führte. Sie verliehen dem Grafen, obwohl er die Statthalterschaft schon 1398 niederlegte und stattdessen im Auftrage König Wenzels (St) die Reichsvogtei in der Wetterau übernahm, eine solche Summe von Rechten und Forderungen an das Land Luxemburg, dass diese noch durch Jahrzenhnte hindurch für das Katzenelnbogen Grafenhaus von Bedeutung waren. Das erklärt sich vor allem daraus, dass auch Graf Johann von Katzenelnbogen IV. (St) die ihm von Diether von Katzenelnbogen VIII (St) hinterlassene Forderung von nahezu 20000 Gulden an das Land trotz langer Fehden und Verhandlungen nicht beizutreiben vermochte. Sie bildete infolgedessen noch unter Graf Philipp von Katzenelnbogen-Diez (St) den Gegestand einer jahrzehntelangen Auseinandersetzung mit dem Herzog Philipp dem Guten von Burgund, nachdem dieser in den Besitz von Luxemburg gelangt war. Eine Reihe von Städten, darunter Löwen, Brüssel, Mechelen und Utrecht, die Erzbischöfe von Mainz und Kön, die Pfalzgrafen bei Rhein, die Grafen von Sponheim und Virneburg und andere Herren bemühten sich um den Ausgleich, der zwar nicht den erhofften Erfolg brachte, jedoch naturgemäß einen regen schriftlichen und persönlichen Verkehr zwischen dem burgundischen und dem katzenelnbogener Hofe zur Folge hatte.

Es kann auch in diesem Falle nicht zweifelhaft sein, dass die politischen Verbindungen dem Katzenelnbogener Hofe starke kulturelle Anregungen vermittelt haben, war doch gerade im 15. Jahrhundert das künstlerische Leben Burgunds zu höchster Blüte entwickelt. Es sind zum Zeugnis dessen nur wenige Namen zu nennen: Die Maler Jan van Eyck und Hugo van Eyck, der Meister von Flemalle, Roger van der Weyden und Dirk Bouts, die Chronisten Olivier de la Marche und Georges Chastellain, der Dichter Alain Chartier und der niederländische Musiker Guillaume Dufay sind eindringliche Zeugen jener niederländisch-burgundischen Kulturepoche des 15. Jahrhunderts, deren Ausstrahlungen bei den eben aufgezeigten Verbindungen auch den Katzenelnbogener Hof berühren mußten.

Hier aber trafen sie mit einer alten eigenständigen Kultur zusammen, deren Zeugnisse mit der Blütezeit des staufischen Kaisertums beginnen und sich bis zum Ende desKatzenelnbogener Grafenhauses in einer Weise fortsetzen, wie sie nur bei ganz wenigen mittelalterlichen Geschlechtern gleicher Güte wieder begegnet. Ich möchte dieses zunächst an drei Gegenständen erläutern, und zwar an der gräflichen Bibliothek, dem katzenelnbogener Silber- und Kleinodienschatz und ihren kostbaren Seidenstickereien.

Nachrichten über Büchereien mittelalterlicher Herrenhäuser sind sehr selten und es ist daher umso höher zu bewerten, dass uns wenigstes Bruchstücke eines Kataloges erhalten sind, die uns ein Bild über die Zusammensetzung des Katzenelnbogener Bibliothek vermitteln. Über ihre Existenz berichtet bereits eine Urkunge aus dem Jahre 1375, denn damals behielt sich die Gräfin Elisabeth von Hanau (St), die Gemahlin Graf Wilhelms von Katzenelnbogen II. (St), alle deutschen Bücher ihres Gemahls nach dessen Tode zu lebenslänglichem Gebrauche vor; es ist darauf hinzuweisen, dass es sich hier um den Grafen Willhelm von Katzenelnbogen (St) handelt, dessen enge Beziehungen zu Kaiser Karl IV (St), und seinem Kulturkreis im deutschen Osten an früherer Stelle besprochen wurden. Gräfin Elisabeth von Hanau (St) nennt damals nur deutsche Bücher - auf die lateinische verzichtete sie wohl völlig - und erwähnt dabei außer der großen deutsche Bibel und dem Passional den Titurel, die bekannte DichtungWolframs von Eschenbach und das Lied von Troja worunter wir entweder das gleichfalls aus der mittelhocheutschen Blütezeit stammende Werk Herborts von Fritzlar oder den Trojanischen Krieg Konrads von Würzburg zu verstehen haben. Weitere Nachrichten stammen aus dem 15. Jahrhundert . 1438 hören wir von einem größeren Büchereinkauf Graf Philipps von Katzenelnbogen (St) im Bereiche der Niedergrafschaft. Und die Rheinfelser Nachricht von 1449 besagt, dass damals der Schreiber von Graf Philipp von Katzenelnbogen (St) ein Werk für seinen Herrn kopierte. Aus der gleichen Zeit aber aber ist ein Verzeichnis von etwa 50 Büchern der gräflichen Bibliothek erhalten, das von hohem Interesse ist. Wie zu erwarten, nehmen Bücher religiösen Inhalts einen breiten Raum ein, darunter befinden sich verschiedene Heiligenleben, so ein Lied auf T. Bandanus und die Heilige Elisabeth von Thüringen, die große deutsche Bibel, der Psalter, das Passional, Schöpfungsgschichten, Bücher über das Leben Jesu und die Heilige Dreifaltigkeit, über die Zehn Gebote, die Heiligen Drei Könige und anderes mehr. Werke moralischen Inhalts, sowie solche über das höfische Leben und seine Formen, über die Minne und den Minnegesang schließen sich an. Wiederholt begegnen Erzeugnisse der spätmittelalterlichen Unterhaltungsliteratur, darunter verschiedene Dichtungen Neidharts von Reuenthal, ferner der Lucidarius, der Schüler von Paris, aber auch weniger bekannte Romane, wie der Königin Bad, der Ehebrecher Märe, das Buch von einem Heiden, von einem Vater und seinem Kinde, von den 23 Wachteln, von dem König von Spanien und so fort. Aber es fehlt auch nicht die große mittelochdeutsche Dichtung, der Artusroman und die bereits oben genannten Werke Wolframs von Eschenbach und Herbords von Fritzlar. Und wahrscheinlich würden wir noch mehr Werke dieser Art nennen können, wenn sich das Verzeichnis nicht bei den kostbarsten mit einer Angabe über die Art des Einbandes oder der Ausstattung begnügt haben würde. Allein viermal heißt es: ein Buch mit goldenen Buchstaben, oder: ein Buch mit dem katzenelnbogener Wappen oder: ein Buch mit einer goldenen Leiste.

Darf die Bibliothek der Katzenelnbogener Grafen als ein außergewöhliches Zeugnis für die Höhe des kulturellen Lebens an einem doch nur mittelgroßen Herrenhofe des späten Mittelalters gelten, für das es kaum andere Parallelen gibt, so kommt ihrem Silberschatz wegen seiner Größe und Kostbarkeit besondere Bedeutung zu. Silberschätze lassen sich an den meisten mittelalterlichen Höfen nachweisen und waren zum Teil von außerordentlicher Größe und Kostbarkeit, wie derjenige der kölner Erzbischöfe oder der Landgrafen von Hessen. Die Inventare der hessische Silberkammern aus dem frühen 16. Jahrhundert ermöglichte uns nun, auch noch einige Feststellungen über das Katzenelnbogener Silber zu treffen. Und darüber hinaus hat ein glücklicher Zufall zwei der wertvollsten katzenelnbogener Silbergeräte in den Kasseler Sammlungen erhalten. Es handelt sich dabei um eine 40 Zentimter hohe vergoldete Weinkanne, der Katzenelnbogener Willkomm, von über 5kg Gewicht und eine als Trinkgerät gefaßte Seladonschale mit Deckel, die beide wegen ihrer hervorragenden künstlerischen Gestaltung und als zwei der wenigen erhaltenen profanen Prunkgeräte des Mittelalters bekannt geworden sind. Es ist zudem von ganz besonderem Interesse, dass gerade diese beiden Gefäße Zeugnis von den Orientreisen der Grafen ablegen, von denen noch zu sprechen sein wird. Der Verschluß der Weinkanne ist an einer eigenartig geschlossenen, zweifellos aus dem Orient stammenden Kette befestigt. Und eben dorther ist die Seladonschale gekommen, eines der erste in Europaeingeführten chinesischen Prozellane, das zwar in Deutschland seine kostbare Fassung erhalten hat, selbst aber, wie ein Inventarvermerk angibt, von einem Katzenelnbogener Grafen aus dem Orient mitgebracht worden ist.

Außer diesen beiden Stücken weisen die hessischen Silberinventare noch eine große Zahl weiterer Silbergeräte auf, die das katzelelnbogener Wappen tragen und daher ihrer Herkunft nach, einwandfrei zu bestimmen sind. Darunter befinden sich einfache silberne Schalen und solche mit vergoldeten Borten, hohe vergoldete Pokale verschiedener Formen mit architektonisch reich geschmückten Deckeln, vergoldete Becher gleicher Art, ein vergoldeter Silberkasten, dazu eine Reihe von silbernen Tafelgeräten wie vergoldete Schüsseln, Krautgefäße, Kannen, Flaschen und Gießbecken.

Und doch stellen diese nur noch mittelbar überlieferten Stücke nicht mehr als ein Bruchteil des gesamten Bestandes dar, wie aus weiteren Nachrichten über den Katzenelnbogener Silber- und Kleinodienschatz zu entnehmen ist. Schon Walther von der Vogelweide dankt Graf Diether von Katzenelnbogen III. (St) für einen Diamanten, den dieser ihm schenkt, und 1261 bezeugt Graf Diether von Katzenelnbogen V. (St), dass er als Teilnehmer der Königskrönung Ottokars von Böhmen durch den mainzer Erzbischof Werner von Eppstein (St) an am Weihnachtstag dieses Jahres in Prag vom König kostbare Geschenke empfangen habe. Im Oktober 1301 erhielt Graf Eberhard von Katzenelnbogen I. (St) das königliche Privileg, Silberbergwerke für seine Zwecke auszubeuten. Um 1333 hören wir von der Übergabe einer Krone zwischen den beiden katzenelnbogener Schwestern Anna (St) und Elisabeth (St), Töchter Graf Wilhelms von Katzenelnbogen I. (St), Gemahlinnen Johanns von Limburg (St) und Walrams von Sponheim-Kreuznach (St), und 1448 erfahren wir von einer Krone im katzenelnbogener Besitz, deren Wert der Graf mit 1000 fl. veranschlagt. Sie stammt von der Schwiegermutter Graf Philipps von Katzenelnbogen (St), seiner Schwiegermutter Gräfin Henriette von Württemberg (St), geb. Gräfin von Mömpelgard. In der schon früher erwähnten Wittumsverschreibung der Gräfin Elisabeth von 1375 werden ihr alle im Darmstädter Schloß vorhandenen silbernen Trinkgefäße und silbernen Schüsseln zu lebenslänglichem Gebrauche überwiesen, mit Ausnahme der alten silbernen Becher, der alten Silberschalen und der Perlmutgefäße. Ferner fanden sich dort im Jahre 1444 mehrere hölzerne, silberbeschlagene Pokale und Schalen. Wir wissen weiterhin, dass das Grafenhaus in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts einen von ihm so kostbar erachteten Diamanten besessen hat, dass es sich nicht scheute, 1354 den Schenken Eberhard von Erbach VIII. durch Urteilsspruch dazu zu zwingen, diesen von seiner Gemahlin Elisabeth von Katzenelnbogen (St) mitgebrachten Edelstein der Grafschaft zurückzugeben. Wir werden außerdem über Kleinodienankäufe in Köln durch Graf Johann von Katzenelnbogen IV(St) im Jahre 1438 unterrichtet, wir erfahren, dass Graf Philipp von Katzenelnbogen (St) seine Tochter Anna von Katzenelnbogen (St) 1446 mit Silber, Juwelen und Schmuck auszusteuern versprach (eine Verpflichtung, die er 1460 durch Geld ablöste), dass er 1449 silberne Schüsseln anfertigen ließ uund Diamanten in Köln einkaufte und, dass frankfurter Goldschmiede 1452 bedeutende Aufträge für den Katzenelnbogener Hof in Darmstadt ausgeführt haben. Und im gleichen glückte es Graf Philipp von Katzenelnbogen (St), Teile des ihm seit 1450 verpfändeten westerburgischern Silberschatzes zu erwerben. Sie bestanden aus zwei großen und einer kleinen Kanne, zwei Krautgefäßen, 6 Schalen, 16 ineinander passenden Bechern, 2 Bechern mit einem Deckel und einem Gürtel mit Wappen sowie aus einem Perlenschmuck, drei goldenen Spangen und einem goldenen Halsband mit acht goldenen Spangen, das mit hellen Rubinen und einem Diamanten besetzt war. Der Wert dieser Stücke ohne den Perlenschmuck und die drei goldenen Spangen wurde allein nach ihrem Gewicht auf über 600 Gulden geschätzt. Und da ferner die aufschlußreiche Tatsache überliefert, ist, dass befreundete Höfe den Wert des Katzenelnbogener Silberschatzes so hoch angeschlagen haben, dass sie Teile desselben für ihre Festlichkeiten von Graf Philipp von Katzenelnbogen (St) entliehen, bedarf es keiner weiteren Ausführungen darüber, dass der unversehrte Katzenelnbogener Silberschatz, den schon die beiden einzigen, zufällig erhaltenen Stücke berühmt gemacht haben, außergewöhlich prachtvoll und kostbar gewesen sein muß.

Dieser Schatz an Büchern, Silbergeräten und Kleinodien wurde durch kostbare Seidenstickereien ergänzt. Der gräfliche Hof verfügte über eingene Seidensticker, ließ aber auch auswärtige Meister für sich arbeiten, wie den am pfalzgräfliche Hof zu Heidelberg tätigen Meister Eberhard. Dieser hat bedeutende Aufträge ausgeführt, so im Jahre 1455 einen gestickten Rock für eine katzenelnbogener Gräfin, wofür er nicht weniger als 235 fl. erhielt. Schon das läßt den außerordentlichen Aufwand, der in dieser Hinsicht getrieben wurden, vermuten. Er wird durch die Pracht der Gewänder auf den Bildern spätmittelalterlicher Meister und durch die Höhe der dafür verwendeten Ausgaben in den gleichzeitigen Rechnungen der fürstlichen Hofhaltungen bestätigt. Wir wissen, dass für die Ausstattung dieser schweren und prunkvollen Kleidungsstücke neben vielen der verschiedenartigsten Seiden und Tuche vielfarbige Borten und Besätze, reichliche Gold- und Silberstickereien und Schmuck von Edelsteinen

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und Perlen verwendet wurden. Ein wahrscheinlich für die Frankfurter Messe zusammengestellter Einkaufszettel von etwa 1380 vermag eine Vorstellung davon zu vermitteln. Es wurden damals u .a. eingekauft: Welsche Leinwand, mai- und saatgrünes Arraser Tuch, rote, weiße, grüne und schwarze Tücher von Mecheln, dreifarbig grüne, rote, weiße und schwarze Seide, schwere und leichte seidene Tücher, blauer, roter und grüner Seidenzwirn, schwere Borten, breite und schmale Besätze, große und kleine Perlen, goldene Gewandheften, verschiedene Gold- und Silberarten, darunter Zyperngold und Zypernsilber, farbige Seidenschnüre zum Anlegen des Goldes und Silbers, weiße Seidenbänder zum Aufreihen und Anheften der Perlen und dazu noch vieles andere an Tüchern, Schnüren und Borten, Gold- und Silberstücken. Und dabei handelt es sich nur um einen einzigen, zufällig erhaltenen Einkaufszettel!

Neben so kostbar ausgestatteten Kleidungsstücken waren zahlreiche gestrickte und bemalte Kissen, Tücher und Teppiche, Behänge und Decken zur Ausstattung der Wohnräume vorhanden. Den Reichtum der Katzenelnbogener auf diesem Gebiete erschließt ein Verzeichnis solcher 1444 im Darmstädter Schloß vorhandenen Stickereien, die wir uns durch eine gleichartige Ausstattung der übrigen Residenzen ergänzt denken müssen. Wir hören hier von grünen Seidenkissen mit eingewebten weißen Rosen, von goldgestickten Kissen mit Menschenantlitzen, mit blauen Blumen, mit grünen Vögeln, von roten Seidenkissen mit goldenen Tieren und Menschen, von goldenen Bettdecken und bemalten Behängen. Es werden goldbestickte Tücher mit dem katzenelnbogener Wappen erwähnt, Leisten mit weißen Rosen, grüne gewebte Banktücher mit gewirkten Besätzen, grünseidene Vorhänge mit weißen Rosen und andere kostbare Stücke mehr.

Es ist nun wesentlich zu erkennen, dass es sich bei diesen Silber- und Seidenschätzen keineswegs um tote in den Silber- und Gewandkammern der Schlösser verborgene und nur gelegentlich verwendete Prunkgeräte und -kleider handelte, sondern vielmehr weitgehend um Gebrauchsgegenstände, von denen viele täglich verwendet worden. sind. Als Graf Wilhelm von Katzenelnbogen II (St) im Jahre 1376 sein Testament errichtete, vermachte er dem Kloster Eberbach, der Begräbnisstätte seines Hauses, das auch er zu seinem Bestattungsort ausersehen hatte, u. a. das Pferd, das sein Zaumzeug trug, mit allen silbernen, vergoldeten großen und kleinen Gürteln, wie er sie benutzt hatte. Und als Graf Phillipp von Katzenelnbogen-Diez (St) bei der Erstürmung von Mainz durch die Parteigänger des gegnerischen mainzer Erzbischofs Adolf von Nassau (St) in der Mainzischen Stiftsfehde Oktober 1462 nächtens über die Mauer fliehen mußte, um wenigstens das Leben zu retten, verlor er das ganze Silbergeschirr, dass er während des Feldzuges mit sich zu führen pflegte, wie die Mainzer Chronik berichtetet. Damit dürfte zugleich auch der seit dem späten 16. Jahrhundert immer wieder begegneten Legende, dass Graf Philipp von Katzenelnbogen (St) nur von hölzernen Schüsseln gegessen habe, der Boden entzogen sein. Das alles läßt einen sicheren Rückschluß auf das tägliche und insbesondere das festliche Leben am Katzenelnbogener Hofe zu, von dem eine überreiche Überlieferung, vor allem aus dem 15. Jahrhundert, beredtes Zeugnis ablegt. Allein die Nachrichten aus Rheinfels und St. Goar bieten so viele Hinweise, dass es in diesem Rahmen unmöglich ist, ihnen nach allen Richtungen zu folgen. Das Kommen und Gehen der Boten, Fuhrleute, Handwerker und reisenden Kaufleute, der gräflichen Reisigen, Diener und Amtsleute, das sich in ausgeprägteren Formen vollziehende Eintreffen von Gesandten fremden Herren und Städten, von Herolden und Künstlern aller Art: Dichtern, Sänger, Bläsern und Saitenspielern von Ärzten und Astronomen, Waffenmeistern und Bauleuten, dazu die Besuche benachbarter und fremder Herren mit ihrem Gefolge, das alles reiht und häuft sich in so bunter, verwirrender Folge und Fülle, dass es schwer wird, sich von dieser Bewegtheit und Viefalt des Lebens der gräflichen Residenz am Rhein

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eine erschöpfende Vorstellung zu machen. Doch wollen wir an einem Fall versuchen, ein Abbild dieses Lebens einzufangen. Wir wählen dazu die Pfingstzeit des Jahres 1432. Sie war ausgezeichnet durch den Besuch Graf Eberhards von Württemberg IV, der als Schwiegervater Graf Philipps von Katzenelnbogen (St) naturgemäß aufs glanzvollste aufgenommen und bewirtet wurde. und durch die Anwesenheit zahlreicher aderer Gäste, die sich in der Umgebung Graf Eberhards von Württemberg IV (St) befanden oder von Graf Johann von Katzenelnbogen IV (St) zu den Festlichkeiten eingeladen worden waren. Bereits Ende April hatte Graf Eberhard von Württemberg IV (St) Rheinfels auf der Fahrt nach Köln passiert; wenige Tage später war ihm Graf Johann von Katzenelnbogen (St) nachgereist, und als sie nun in der Pfingstwoche gemeinsam von dort zurückkehrten, setzte Graf Johann von Katzenelnbogen IV (St) alles daran, dem Schwiegervater seines Sohnes eine Reihe besonders festlicher Tage auf Rheinfels zu bieten. Dieses vermögen wir vor allem aus der Zahl der Künstler zu erschließen, die damals zur Unterhaltung der Gäste in St. Goar Einkehr hielten; denn es sind uns bezeugt: vier Pfeifer Landgraf Ludwigs von Hessen I (St), zwei Pfeifer einer nassauer Gräfin, die Posaunenbläser der Falkengesellschaft, zwei fahrende Sänger, von denen der eine Kaufmann hieß und endlich zwei blinde Lautenschläger. Stellen wir uns dazu die Mitwirkung der Künstler des Katzenelnbogener Hofes, seiner Sänger, Saitenspieler und Sprecher an den Feiern dieser Pfingszeit auf Rheinfels vor, dann erhalten wir schon daraus ein eindrucksvolles Bild von Größe und Glanz dieses Festes. - Zur Abwechslung unternahm man ferner kleinere Rheinfahrten, auf denen man das weithin verehrte wundertätige Marienbild in Bornhofen und die nicht minder anziehende, berühmte Wernerkapelle in Bacharach aufsuchte; und wahrscheinlich wird man auch eine Jagd in den nahen Weiseler Forsten veranstaltet haben.

Selbstverständlich bot die gräfliche Küche alles auf, um die Gäste in jeder Weise zufrieden zu stellen. Wir hören davon, dass mehrere Kälber und ein Ochsenviertel gekauft wurden, dazu kam noch einmal besonders Kalbfleisch zu Braten sowie Rind- und Hammelfleisch in die Küche. Geradezu erstaunlich aber ist die Menge an geräucherten, gesalzenen und frischen Fischen, die aus Köln und Mainz, zum Teil in nächtlichen Fahrten, herangebracht wurden; und wir vermögen uns ein Bild von der Reichhaltigkeit der gräflichen Fischtafel zu machen, wenn wir auch aus anderen Quellen hören, dass neben Bücklingen, Stockfischen und Heringen, Störe , Schollen, Lampreden, Hechte, Forellen, Barben, Salme, Aale und Birße zur Burg Rheinfels gesandt worden sind. Die Gewürzvorräte der Küche wurden ergänzt durch umfangreiche Einkäufe an Saffran, Ingwer, Pfeffer, besonderen Fladen, die wie zur Osterzeit unter Verwendung von hunderten von Eiern und Weichkäse auch jetzt gebacken wurden, die Gaumen der Gäste erfreuten, sonder auch die anderer Leckerbissen, von denen wir gelegentlich erfahren, nämlich von einem auf Wein gezogenen Schlehengelee, von Quitten- und Birnenkonfitüren oder einer Nußspeise, die unter Verwendung von Honig, Ingwer, Nelken und Zimt bereitet wurde. Überraschend ist auch die Auswahl von Konfekt, über die man am gräflichen Hofe verfügte und die man, wie wir an anderer Stelle erfahren, aus Köln bezog. Es werden da neben roten und weißen stecken, Zimtkonfekt, Aniskonfekt, Kümmelgebäck, Korianderkonfekt, übergoldetes Rosinenkonfekt und übergoldete Gelees erwähnt, sowie ein Konfekt, manus Christi genannt, und wir gehen wohl nicht fehl in der Annahme, dass auch jetzt solche Leckereien angeboten wurden, zumal Graf Johann von Katzenelnbogen (St) gerade von Köln kam. Nur über die Beschaffung von Getränken verlautet nichts, aber davon lagen die gräflichen Keller ja voll, und wir dürfen dabei nicht nur an die besten Rheinweine denken, sondern auch an Würzgetränke, wie ein Kirschwein, den man unter Verwendung von Ingwer Zynamomen roren (Stangenzimt??), Nelken, Muskat, Pariskörnern und Honig hergestellt hat.

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Eine besondere Rolle im geselligen Leben des Hofes spielten auch dieses Mal neben der Burg vor allem das gräfliche Bad und die Gasthäuser Zum roten Löwen, Zum Schwert, Zum Helm und Zum Rad in St. Goar. Sie waren nicht nur die regelmäßigen Abtsteigequartiere der fremden Amtleute und Diener, die irgendwelche Aufträge and den Katzenelnbogener Hof führten, sie wurden auch gerne von den durchreisenden Edelleuten aufgesucht, die die Grafen dann dort bewirten ließen, und auch sie selbst waren häufig in diesen Häusern zu Gast. Ausführlich berichten unsere Quellen über fröhliche Badesstunden und Gastereien, bei denen vielfach Sänger und Sprecher Lieder und Erzählungen vortrugen, wenn sich Grafen und Gäste nicht mit Würfel-, oder Brett- oder Kartenspielen auf mancherlei Art die Weile kürzten oder auch die Musikanten zum Tanze spielten. Es ist nun bemerkenswert, dass die Grafen diese Festlichkeiten nicht nur abgeschlossen unter Ihresgleichen begingen, sondern dass sie zu gewissen Zeiten im Jahre auch ihr Gesinde zu solchen Veranstaltungen einluden. Es ist wiederholt bezeugt, dass die Grafen zwischen Weihnachen und Fastnacht ihre Rheinfelser Dienerschaft, Knechte wie Mägde, bei einem Tanz im Rad oder Schwert zu St. Goar um sich versammelten und sie dabei in gleicher Weise wie an den hohen Festtagen reichlich mit besonderen Backwerken und Getränken bewirtet haben. Wir wissen ferner, dass Grafen und Gräfinnen bei solchen Gelegenheiten auch Geschenke an ihr Gesinde verteilten, denn es wird uns z. B, bezeugt, dass Frauen und Mägde auf Rheinfels zum Pfingstfeste neue, seidene Haarbänder erhielten. Heiratete ein bewährter gräflicher Diener, dann wurde ihm die Hochzeit ausgerichtet, Mahl und Musik bestellt und ein reich bemessenes Geschenk an Frucht und Wein hinzugefügt, und die Mägde erhielten zudem noch Brautkleid und Schleier. Ich möchte Ihnen wenigstens an einem Beispiel den Umfang der gräflichen Aufwendungen für eine solche Hochzeit darlegen. Als die rheinfelser Magd Klärchen im Jahre 1410 heiratete, bestritt Graf Johann von Katzenelnbogen IV zunächst die Auslagen beim Weinkauf, d. h. bei der Verlobung, die in St. Goar gefeiert wurde. Als Brautgabe erhielt die Magd zwei Röcke zum Brautkleid und einen Schleier. Graf Johann von Katzenelnbogen IV schenkte ihr ferner 16 Ellen grünes Tuch für Kleider und 12 Ellen Leinen für Küchenwäsche. Zur Hochzeit selbst aber schlachtete man einen Ochsen und drei Schweine, kaufte 2400 Schüsseln und 800 Krüge, beschäftigte zwei Männer 4,5 Tage, die Tischbeine machten und Tische aufschlugen, und drei Frauen, die Würste und Sülzen herstellten, so dass es nicht schwer wird, sich auf Grund dieser Aufwendungen einen Begriff von den Ausmaßen solcher Hochzeitsfeierlichkeiten zu machen. Man hat allerdings - und wohl mit Recht - vermutet, dass die in diesem Fall so besonders umfassenden Vorbereitungen einen recht triftigen Grund gehabt haben, der wahrscheinlich in den Folgen engster persönlicher Beziehungen von Graf Johann von Katzenelnbogen IV zu seiner Magd gesehen werden dürfen, jedenfalls hören wir schon im Jahre 1408 von einer unehelichen Tochter des Grafen. Mit der Ausrichtung der Hochzeit hörte die Anteilnahme der katzenelnbogener Grafen an den Schicksalen ihres Gesindes keineswegs auf. Es ist oft bezeugt, dass der Graf oder die Gräfin Kinder ihrer einfachsten wie höchsten Diener aus der Taufe gehoben haben, Erkrankten ihren Arzt schickten und ihnen Arznei beschafften, die oft aus den Apotheken von Mainz oder Koblenz herbeigeholt werden mußte, und dass sie endlich Verstorbene mit zum Grabe geleiteten.
Eines der kulturgeschichtlich eigenartigsten Zeugnisse für diese Bindungen zwischen Herrn und Diener ist die am 19. Dezember 1458 erfolgte Bestellung des Bartholomäus von Eten zum Leibarzt Graf Philipps von Katzenelnbogen, die ich infolgedessen hier ihrem Inhalte nach mitteilen möchte. Sie besagt folgendes:
Graf Philipp von Katzenelnbogen bekundet in dieser Bestallung, dass er den Doktor in medicinis Meister Bartholomäus von Eten, zugleich der sieben freien Künste und der

 

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Arzneikunde Doktor, zu seinem Arzt und Diener bestellt und in sein tägliches Hofgesinde aufgenommen hat. Eten soll sich niemand anderem verschreiben oder verpflichtem es sei denn mit Wissen des Grafen und dann unter dem Vorbehalt, alles zurückzustellen, wenn er von seinem Herrn gerufen wird. Er soll dann auf schnellstem Wege, zu Schiff oder zu Pferde, zu Graf Philipp von Katzenelnbogen eilen und solange er seiner bedarf, bei ihm bleiben und ihm in allen Krankheiten oder Gebrechen nach bestem Vermögen raten und helfen. Sind Frau oder Kinder des Arztes, wenn er gerufen wird, so krank , dass er sie ohne Gefahr nicht verlassen kann , dann soll er zwar nicht gleich, aber doch so bald als möglich dem Rufe folgen. Werden Frau oder Kinder Etens während seiner Anwesenheit bei Graf Philipp von Katzenelnbogen krank, dann wird ihn dieser nach Hause beurlauben. Eten soll aber so schnell wie möglich wieder zurückkommen. Hat der Arzt Kranke in seinem Hause liegen oder auf andere Weise zu betreuen, so dass er, wenn er von Graf Philipp von Katzenelnbogen gerufen wird, nicht sofort kommen kann, dann soll er diese Kranken innerhalb eines Tages anderweitig zu versorgen trachten und sich dann auf dem Weg zu seinem Herrn begeben. Doktor Eten kann in Köln, Mainz oder Frankfurt Wohnung nehmen, darf jedoch dann, solange der Graf lebt, einen neuen Wohnort nur mit dessen Zustimmung wählen. Doktor Eten kann sich aber auch ständig am Hofe aufhalten, dann werden ihm zwei Pferde mit Futter und Huflschlag im gräflichen Marstall bestellt. Geht ihm ein Pferd im Dienste für den Graf Philipp von Katzenelnbogen verloren, dann soll es ihm bezahlt werden, außerdem werden ihm alle Kosten und Schäden, die ihm im Dienste seines Herrn während des Aufenthaltes bei Hofe und auf der Hin- und Rückfahrt entstehen, vergütet. Für seine Tätigkeit erhält Doktor Eten ferner ein jährliches Entgfelt von 69 Gulden solange er und seine Frau Eva leben. Überlebt ein Ehegatte den andern, dann soll dieser allein die 60 Gulden bis zu seinem Tode erhalten. Graf Philipp von Katzenelnbogen weist dementsprechend seinen Zollschreiber isn St. Goar zur Zahlung dieses jährlichen Betrages an. Sollte das Geld einmal nicht vom Zoll bezahlt werden, dann ist es aus den gräflichen Gütern in der Mark und im Gericht von St. Goar fällig , und nichts soll die Entrichtung hindern können. Schließlich wird Eten wie alle Diener des Grafen zweimal im Jahre, zum Sommer und zu Winter, Kleidung erhalten, solange Graf Philipp von Katzenelnbogen lebt. Doktor Eten gelobt, alle diese Punkte zu halten, beschwört sie und verspricht unter Eid, seine Verpflichtungen gegenüber dem Grafen zu dessen Lebzeiten nicht aufzusagen.

Ich brauche diese Bestallung nicht weiter zu erläutern, denn sie charakterisiert das Verhältnis zwischen dem Herrn und seinem Arzt selbst auf das Beste und es ist dem hier nur noch hinzuzufügen, dass das Gleiche in sinnvoler Entsprechung auch für die übrigen gräflichen Diener gegolten hat, wie viele weitere Zeugnisse erweisen. Das Ergebnis war besonders im 15. Jahrhundert ein ausgezeichnetes Verhältnis der Grafen zu ihren Amtsleuten, Wirtschaftsbeamten und sonstigen Dienern. Es ist daher für diese Zeit, in der im allgemeinen ein ständiger Wechsel des Amtspersonals die politische und wirtschaftliche Verwaltung der meisten Territorien immer wieder beunruhigte und beeinträchtige, ein hoch zu bewertendes Charakteristikum der katzenelnbogener Verwaltung, das viele ihrer wichtigsten Träger ihrem Herrn oft jahrzehntelange wertvolle Dienste geleistet haben. Augenscheinlich ist hierin ein wesentlicher Grund für die ungewöhnliche Ergiebigkeit des katzenelnbogener Wirtschaftswesens zu erblicken, die diesem Hofe eine so hohe Stellung verschaffte und ihn zu einem Mittelpunkt prachtvoller spätmittelalterlicher Kultur- und Lebensentfaltung emporhob.
Und doch haben die vorausgegangenen Ausführungen, die Ihnen diese Höhe des kulturellen Lebens auf verschiedenen Gebieten zu zeigen und nahe zu bringen versuchten, einige ihrer großartigsten Äußerungen noch nicht berührt. Unter ihnen beansprucht die Pflege von Dichtung und Musik am Katzenelnbogener Hofe die erste Stelle denn sie darf mit Fug als eine der schönsten

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Blüten der KatzenelnbogenerKultur betrachtet werden. Auch sie entspringt dem Schoße der Kultur der staufischen Kaiserzeit, denn in ihrem Bereiche hat einer ihrer größten Vertreter, Walter von der Vogelweide, in seinen beiden Sprüchen an den Bogener der Liebe des Grafen Diether von Katzenelnbogen zur Dichtkunst ein unvergängliches Denkmal gesetzt Im Spruch Ich bin dem Bogenaere holt spricht Walter von der Freigiebigkeit des Grafen gegenüber Sängern aller Art und ermahnt ihn, seine Neigungen nicht den ihn umdrängenden snarrenzaren zuzuwenden, sondern den Meistern der Dichtkunst, deren Gesang ihm Ehren bringe. Der zweite Spruch den diemant, den edelen stein, gap mir der schoensten ritter ein dankt dem Grafen für einen dem Dichter als Geschenk überreichten Diamanten und schließt mit dem Preisen Diethers:

Milter man ist schoene und wol gezogen
Man sal die inre tugent iizkeren,,
so ist da uzer lop nach eren
sam des von Katzenellenbogen.

Aber nicht nur Walter weiß von der Zuneigung Diethers für die Dichter zu erzählen. Auch der Tannhäuser hatte sie erfahren, denn als er um 1226 übe der tode mehrer um dichtkunst verdienter Fürsten und Herren klagt, nennt er unter ihnen auch den Bogener und sagt: Darzuo der Bogenere, des amilte was mir wol erkant, wererbet nu ir melte?

Die katzenelnbogener Grafen haben dieses Erbteil bewahrt und wenn uns die Zeugnisse aus späterer Zeit auch nicht mehr so erlauchte Namen wie Walter von der Vogelweide und den Tannhäuser nennen und nennen können, so erweisen sie doch die außerordentliche lebhafte Teilnahme der Grafen nach dem dichterischen und musikalischen Leben ihrer Zeit. Nur wenige Jahrzehnte nach Diethers von Katzenelnbogen II. Tode, um die Wende des 13. Jahrhunderts, treten uns die katzenelnbogener Grafen erneut in dichterischer Gestaltung aus einem Zyklus von Liedern entgegen, die ein Dichter aus moselfränkischem Gebiet (wahrscheinlich Meister Zilies von Seine) verschiedenen mittelrheinischen Geschlechtern gewidmet hat. Aus dem Kreise des Rittertums hervorgegangen, vertraut mit der deutschen Heldensage und Wolfram von Eschenbach, in der Heraldik, insbesondere der Wappensymbolik und- schilderung wohl bewandert, hat dieser Sänger als Freund des Minnedienstes und des höfischen Lebens in seinen Dichtutungen vomn Minnehof, vom Ritterspreis und von der Göllheimer Schlacht den Katzenelnbogener Grafen, ihren Verwandten und Vasallen einen so hervorragenden Platz eingeräumt, dass wir in ihm, wenn nicht einen katzenelnbogener Dienstmanne, so doch einen Sänger sehen dürfen, der in sehr nahen Beziehungen zum katzenelnbogener Grafenhause stand. Das Bruchstück vom Minnehof verherrlicht neben dem Ritter Kraft von Greifenstein Grafen Gerhard VI von Jülich, desssen Schwester Margarethe die Gemahlin Graf Diethers von Katzenelnbogen III war, und einen der drei um 1300 lebenden Grafen Johann von Sponheim, von denen zwei in nahen verwandtschaflichen Beziehungen zu unserem Grafenhause standen. Die Bruchstücke des Ritterpreises stellen in der Ritterfahrt den Grafen Wilhelm von Katzenelnbotgen I und seine als Frau Minne auftretende Gemahlin Irmgard in den Mittelpunkt der Handlung, an der zudem die katzenelnbogener Lehnsleute Konrad von Schöneck, Friedrich Walpode, Friedrich von Helfenstein, Dietrich von Braubach sowie eine Anzahl anderer rheinischer Ritter und Herren berteiligt sind. Im Fragment von der Göllheimer Schlacht scließlich tritt uns der eben genannte katzenelnbogener Lehnsmann Dietrich von Braubach, der 1303 als Tuchseß Graf Wilhelms von Katzenelnbogen I bezeugt ist, erneut entgegen. Der Dichter bezeichnet ihn sogar als seinen Gewährsmann, so dass wir wohl vor allem diesem Bericht die hervorragende Zeichnung der Gestalt Graf Eberhards von Kaztenelnbogen I in dieser Dichtung, besonders den packend

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und lebenswahr dargestellten Verzweiflungskampf dieses ergrauten Ratgebers des Königs und die Schilderung seiner hoheitsvollen und charakterfesten Haltung während der Gefangenschaft verdanken.

Die außerordentlich engen Beziehungen der katzenelnbogener Grafen zu dem künstlerischen Leben ihrer Zeit, die uns aus diesen Zeugnissen entgegentreten, sind bis zum Ausgang dieses Geschlechtes nicht mehr abgerissen. Sie erfahren bis zuletzt und insbesondere aus den urkundlichen Nachrichten des 15. Jahrhunderts eine eindrucksvolle Bestätigung. Es war damals üblich geworden, dass jeder Hof eigene Musiker, Sänger, Sprecher und Herolde hielt, und so auch der Katzenelnbogener. Nun vermögen wir uns zwar von der Größe und Zusammensetzung der gräflichen Künstler- und Musikerschaft kein erschöfendes Bild mehr zu machen, doch besoldete allein die darmstädter Kellerei 5 Künstler; da hier nur 2 Pfeifer, 2 Trompeter und ein Sänger genannt werden, ein Pfeiferquartett der Grafen aber im 15. Jahrhunderd ständig begegnet und daneben auch Posauner, Geiger, Harfenspieler und Lautenschläger immer wieder bezeugt sind, so darf auf einen ständigen Kreis von 10-12 katzenelnbogener Künstlern geschlossen werden

Diese für die einzelnen Höfe bestellten Musiker, Sprecher, Herolde und anderen Künstler haben jedoch ihre Tätigkeit keineswegs auf den heimatlichen Hof beschränkt, sondern oft auch befreundete Herren aufgesucht, wo sie dann vielfach mit anderen fahrenden Spielleuten und Sängern zusammentrafen. Dieses scheint in hervorragendem Maße für die katzenelnbogener Residenz in Rheinfels und St. Goar zuzutreffen, denn hier können wir ein besonders lebhaftes Kommen und Gehen von fremden Künstlern aller Art belegen. Es kann nicht zweifelhaft sein, dass sich dieses vorallem aus dem regen persönlichen Interesse erkärt, das ihnen gerade die beiden letzten katzenelnbogener Grafen Johann von Katzenelnbogen IV und Philipp von Katzenelnbogen entgegenbrachten. Es ist nicht nur immer wieder festzustellen, dass sie Sänger und Musiker jederzeit zu ihren Mahlzeiten zugezogen und sie reich bewirtet und beschenkt haben, wir wissen auch, dass sie sogar in einzelnen Fällen mit ihnen um die Zeche würfelten, was naturgemäß engsten persönlichen Kontakt zur Voraussetzung hat, der wiederum ohne eine besondere Zuneigung zu den Künstlern und ihrer Kunst undenkbar ist. Diese aber mußte selbstverständlich immer häufiger fremde Musiker und andere Künstler als Gäste der Grafen nach Rheinfels führen, so wie es schon für das Jahr 1401 bezeugt ist. Hier erschienen gleich in den ersten Tagen des neuen Jahres die Pfeifer Graf Adolfs von Nassau, Ende Februar zwei Lautenschläger und im April die Pfeifer des Herzogs von Berg, die auch im Mai auf der Heimreise wieder in Rheinfels einkehrten. Ende Juni wurde ein Lautenchläger aus Kreuznach bewirtet, ein fahrender Mann vor Graf Johann auf der Burg; diesem folgte kurz darauf ein fremder Herold, den der Fahrende Freies Leben begleitete. Ende Nobember scheint dann eine größere Veranstaltung auf Rheinfels stattgefunden zu haben, denn dort waren damals nicht nur die Pfeifer des Isenburgers und Herzogs von Bayern, sondern auch der Herold des Grafen von Mörs und der Lautenschläger des kölner Erzbischofs anwesend. Regelmäßig war mit dem Besuch einer hohen Persönlichkeit in St. Goar eine Einladung an fahrende und fremde Künstler verbunden, sowie an dem bereits oben behandelten Beispiel des Besuches des Schwiegervaters Graf Philipps von Katzenelnbogen, Graf Eberhards von Württemberg IV, zum Pfingsfest 1432 auf Rheinfels nachgewiesen werden konnte. Und so ließe sich die Zahl der Beispiele fortsetzen. Allein im Rechnungsjahr 1449/50 sind als Gäste des Katzenelbogener Hofes in Rheinfels und St. Goar bezeugt: die Pfeifer der Stadt Köln und die des kölner Erzbischofs, die Pfeifer Landgraf Ludwigs von Hessen, der Pfalzgrafen Ruprecht und Friedrich bei Rhein und des Grafen von Eberhard von Württemberg IV. Es waren ferner die Lautenschläger Herzog

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Heinrichs von Bayern, des Grafen Wilhelm von Roir und des Bischofs von Würzburg in St. Goar, dazu die Trompeter Herzog Stefans und Herzog Friedrichs von der Pfalz, der Harfenspieler des Grafen von Virneburg, der Geiger der Herren von Hirschhorn, der Hofsänger des Grafen von Mörs und der Herold von Eltz mit der Laute. Außer ihm aber kamen der Reichsherold Romerich, die Herolde von den Höfen in Aragon, Köln, und Heidelberg, sowie der Wappenknecht Georg Ruhemer mit seinen Gesellen nach Rheinfels; und dazu eine weitere Anzahl fahrender Sänger, von denen nur Ritterhans, Wohlgemut und Frauenzucht namentlich genannt, die meisten aber nicht näher bezeichnet werden; und zu ihnen gesellten sich andere ungenannte Sprecher und Spielleute in bunter Folge zu, so dass schon aus diesen wenigen ausgewählten Beispielen ein eindrucksvolles Bild von der bedeutenden Rolle entsteht, die Musik und Dichtung im täglichen wie im festlichen Leben und seiner Kultur am Hofe der Katzenelnbogener Grafen gespielt haben.

Und nun möchte ich Ihre Aufmerksamkeit noch auf eine andere, nicht minder farbige Erscheinug des mitttelalterlichen höfischen Lebens lenken, auf die Falknerei und die Jagd, denn sie behaupten in seinem Gefüge einen wichtigen Platz. Auch hier - und das ist besonders bemerkenswert - beginnen unsere Zeugnisse bereits im 13. Jahrhundert, was auf diesem Gebiete als sehr früh zu gelten hat und einen sicheren Rückschluß auf die hohe Schätzung, der Jagd am damaligen Katzenelnbogener Hofe zuläßt. Ich will dabei die Falkensiegel der Katzenelnbogener Gräfinnen aus dem 13. Jahrhundert nur kurz erwähnen, auf denen sie zu Pferde wähtend der Beize dargestesllt sind, mit der einen Hand die Zügel und mit der anderen den Falken führend, der zum Stoß auf das vor der Reiterin abstreichende Federwild ansetzt, das die sie begleitenden Vogelhunde im Vorfelde hochgebracht haben; denn diese Bildnisformulierung ist für viele Frauensiegel jener Zeit charakteristisch und daher nur ein weiterer Ausdruck der Hochschätzung der Falknerei an den meisten mittelalterlichen Höfen, worüber wir eine Fülle edelster Zeugnisse besitzen. Es sei nur an drei erinnert; an das unvergängliche, viele Jahrhunderte hindurch gesungene Lied des ältesten bekannten deutschen Minnesingers, des Kürenbergers, aus der Mitte des 12. Jahrrhundert: ich zog mir einen Falken länger denn ein Jahr; an das große Werk des Staufenkaiser Friedrich II. De Arte Venandi Cum Avibus, über die Kunst mit Vögeln zu jagen und an das prachtvolle Blatt der Manessischen Handschrift, das König Konrad den Jungen auf der Falkenjagd zeigt.

Die Hochschätzung der Falknerei am Katzenelnbogener Hofe, zu der die erwähnten Siegel zunächst nur einen der Zeit entsprechenden allgemeinen Beitrag liefern, erhärtet jedoch auch aus urkundlichen Zeugnissen der gleichen Zeit, die diesen Siegelbildern eine realere Grundlage geben, als sie in der Regel zu finden ist. Hierbei handelt es sich einmal um eine Urkunde von 1265, nach deren Aussage sich die Brüder Graf Diether von Katzenelnbogen III und Graf Eberhard von Katzenelnbogen I das Jagdrecht in Dreieich angemaßt hatten, um eine Urkunde von 1268, durch die Graf Diether von Katzenelnbogen III die Jagd in der Hardt und in den lorscher Wäldern und Brüchen erwarb, und um die Königsurkunde Rudolfs von Habsburg von 1276, in der er den Grafen Eberhard von Katzenelnbogen mit Trebur und dem dortigen Falkenfang sowie mit dem Schlichter, dem großen südwestlich von Frankfurt gelegenen Forste belehnte.

Nachrichten gleicher Art mehren sich dann im Verlaufe des 14. Jahrhunderts und verdichten sich im 15. Jahrhundert so, dass es für dieses Ziel möglich war, ein geschlossenes Bild des gräflichen Waidwerks zu zeigen. Ich habe diesen Versuch an anderer Stelle (Nassauer Annalen 1937) unternommen und kann ihn naturgemäß hier nicht wiederholen, mich aber doch einiger seiner Ergebisse bedienen, um daran die überragende Bedeutung der Jagd im höfischen Leben am spätmittelalterlichen Katzenelnbogener

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Hofe zu zeigen. Es kann nicht besser geschehen, als einige der oft glanzvoll durchgeführten und manchmal wochenlang ausgedehnten Falkenbeizen im Frühling und Herbst zu schildern, oder ein Bild der winterlichen Hetzjagden im Odenwald, auf dem Hunsrück und in den Weiseler Forsten am Rhein zu zeichnen und zuletzt die geselligen und gesellschaftlichen Beziehungen zu erörtern, die die Jagden zu benachbarten und fremden Höfen vermittelten. Aus der Fülle des Stoffes soll daher ein zusammenfassender Bericht über die gräfliche Jagden aus den Jahren 1450-51 gegeben werden, in denen sich das ganze jagdliche Leben in seiner farbigen Fülle zusammendrängt. Das jagdliche Jahr 1450 wurde durch ein besonderes Ereignis eingeleitet. Am 2. Januar erschienen die Falkner des Deutschen Ordens aus Preußen auf Rheinfels und überbrachten Graf Philipp von Katzenelnbogen Falken. Sie setzten damit eine Tradition fort, die bereits im Anfang dieses Jahrhunderts bestand, denn nach Ausweis des Marienburger Trlerbuches der Jahre 1399- 1409 bezogen die Katzelnbogener Grafen bereits damals die vom Deutschen Orden in der Marienburg gezogenen Falken. Dien Deutschordensfalknern folgte wenige Tage später am 11. Januar noch ein besonderer Bote des Deutschordensmeisters, der dem Grafen ein Waidmesser, einen Habicht und einen Jagdhund zuführte. Er traf auf Rheinfels mit einem Knecht des Ritters Hans von Steden zusammen , der sich dort mit zwei Jagdhunden eingefunden hatte. Während die Hunde noch zur selben Zeit bei den Sauhetzen in den Wäldern um Weisel und auf dem Hunsrück angesetzt wurden, kamen Habicht und Falken erst auf den Frühjahrsbeizen im Gebiet der Obergrafschaft zur Jagd. Wir besitzen eine Rheinfelser Nachricht über die Anfertigung mehrer Habichtshandschuhe, die bei der Überführung der Vögel nötig waren und erfahren von Stadecken aus von dem Verkehr mit Rheinfels und Dornberg im Frühling 1450, wobei die Falkner die Vögel zur Beize führten.

Auf das südlich von Darmstadt gelegene Dorf Niederramstadt beziehen sich weitere jagdliche Nachrichten des Jahres. Das Haus des Schultheißen bildete hier wie in den meisten gräflichen Dörfern den Mittelpunkt für die Jäger. Hier kehrte der Jägermeister mit seinen Knechten und Hunden ein, hier treffen wir die Jäger während des Hasenfanges in den niederramstädter Gärten an, und hier wurde der Vogler Heinz verpflegt, als er einen neuen Vogelher einrichtete. Graf Philipp von Katzenelnbogen aber ist im gleichen Jahre mit seinen Waidleuten wiederholt im Hause des Schultheißen zu Gräfenhausen abgestiegen, als der den Schlichter und die angrenzenden Forsten bejagte.

Nach diesen ersten, vereinzelten Nachrichten enthüllt sich uns die Jägerei des folgenden Jahres als ein fast geschlossenes Bild. Dieses Jahr 1451 war zunächst für die Katzelenbogener Jägerschaft von einschneidender Bedeutung, da es die Einstellung, der drei neuen Waidmänner Oberlin, Kompe 51-58 und Konrad 51-58 brachte, die sofort oder nach kurzer Zeit zu Jägermeistern aufgerückt sind, ihre Lehrzeit also in fremden Diensten durchlaufen haben müsssen, und den Beginn der Tätigkeit von Seitz 51-75, der von Meister Konrad ausgebildet wurde und 1458 als Jägermeister in die Lücke trat, die durch das Ausscheiden von Kompe und Konrad entstand. Blicken wir aber darüber hinaus auf die Falknerei und die umfassendenen Vorbereitungen zu den Frühjahrs- und Frühlingsbeizen dieses Jahres, dann erhebt sich unser Gesichtskreis weit über die Grenzen der Grafschaft und aus dem Zusammenschluß der mannigfachen und verstreuten Hinweise formt sich ein eindrucksvolles, lebendiges Bild von der Bedeutung der Falknerei im kulturellen Gefüge des höfischen Lebens im 15. Jahrhundert.

Schon Anfang März wurde Graf Philipp von Katzenelnbogen ein besonderes Beizpferd vom Heidelberger Hofe überbracht, und Anfang April sandte Bernhard Kreis von Lindenfels Graf Philipp von Katzenelnbogen zwei wertvolle, schwarze Hunde, nachdem

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schon Gerlach von Breidenbach einen Windhund geschickt hatte. Wenige Tage später ging der Vogler Christian im Auftrage seines Herren mit jagdlichen Mitteilungen nach Komburg und nach Wertheim. Hier sollte er anscheinend den mainzer Erzbischof Diether von Isenburg treffen, den er jedoch erst in Höchst erreichte, da er die Antwort von hier aus nach Darmstadt brachte, die der dortige Landschreiber an den Grafen, der inzwischen nach Gräfenhausen zur Beize geritten war, weiterleitete. Bald darauf folgte ein mainzischer Jäger und führte Graf Philipp von Katzenelnbogen Jagdhunde zu, während der Jäger Seitz Anfang Mai von Graf Diether von Isenburg zwei Hunde aus Büdingen abholte und der oft erwähnte Jagdfreund Graf Philipps von Katzenelnbogen, der bamberger Domherr von Streitberg, zur gleichen Zeit einen Knecht mit zwei Hunden schickte.

Zweifellos sind sie zu den Frühjahrs- und Frühlingsbeizen verwendet worden, da sie der gräflichen Meute der vorliegenden Hunde zugeteilt wurden, für die ein Seiler zu Gerau ebendamals eine Koppel aus 11 Pfund Garn mit einer Führungsleine anfertigte. Jedoch kamen zu den Frühlingsbeizen des Jahres 1451 nicht nur das Beizpferd und Hühnerhunde von auswärts, Pfingsten schenkte ein Eppsteiner dem Grafen zwei Edelfalken, die die Frau des Falknermeisters Kreuz noch am gleichen Tage mit vier Hühnern atzte, und noch Anfang Juli schickte Junker Bernhard von Leiningen durch seinen Waidmann einen Habicht.

Die nach diesen Zeugnissen sicherlich großartigen Beizen fanden in der Pfingstzeit ihren Abschluß. Habichte und Falken wurden zu einer letzten großen Veranstaltung nach Darmstadt zusammengezogen und mit ihnen nicht nur echte Beizen auf Niederwild, sondern auch Schaubeizen auf Kraniche durchgeführt.

Nach ihrem Abklang traten Niederjagd und Fischerei in den Vordergrund. Schon im Frühjahr hatte der Seiler zu Gerau Angelschnüre für den Grafen hersgestellt zu denen der darmstädter Schmied Jörg die Haken verfertigte und im Auftrage des Voglers Christian ein Fischnetz geknüpft, zu dem er 44 Klafter Seil und 20 Pfund Garn verbrauchte. Ein zweites Netz lieferte er ihm zu Pfingsten. Ende Juli gab der Graf dem gleichen Seiler ein drittes Fischgarn in Auftrag, und zur Erntezeit brachte dieser dem darmstädter Landschreiber ein viertes. Der Graf übte die Fischerei persönlich mit Angel und Netz aus, doch hat er sich ihr im Verhältnis zum Waidwerk nur in geringerem Maße gewidmet. Dieses hat demzufolge stets den Vorrang behauptet und erstreckte sich in den ruhigeren Sommermonaten regelmäßig und so auch 1451 vor allem auf die niedere Jagd. Aus den Aufträgen an den Gerauer Seiler ergibt sich, dass man besonders die Vogelstellerei betrieb und die Jäger vor allem dem Hasenfang oblagen, für die sie der Seiler gleichfalls mit Netzen versah. Gleichzeitig gingen sie mit Garnen, die ein darmstädter Kürschner entsprechend eingefärbt hatte, auf Wasserhuhn- und Entenfang aus. Der Graf beteiligte sich an diesen Jagdarten nicht, doch war er Ende Juli in Darmstadt wieder dabei, als man umb honer schoiß zum erste male vor Jacobi im grarten. Mitte August veranstaltete der Jägermeister Kompe mit zwei Knechten, welche die vorliegenden Hunde leiteten, von Stadecken aus noch eine kleinere Beize, auf der er drei Falken führte, dann ruhte die Jagd für einige Wochen. Erst im Oktober änderte sich das Bild wieder; Wildbretsendungen nach Mainz und umfangreiche Instandsetzungen und Neubeschaffungen von Jagdzeugen künden die bevorstehenden Herbst- und Winterjagden an. Als ein darmstädter Bote am 1.Oktober abermals Wildbret nach Mainz führte, brachte er dem Grafen ein Schwert und lederne Hosen mit. Die Knechte bei den vorliegenden Hunden erhielten Röcke und Kappen, der darmstädter Schmied Jörg besserte den alten Wagen der Jäger aus und beschlug ihnen den neuen, und der Messerschmied fegte ein Waidmesser des Graf Philipps von Katzenelnbogen, zu dem der Landschreiber bemerkt: und staken 12 iunge daruff

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Die Jagd wurde durch Graf Philipp von Katzenelnbogen auf Michaelis zu Gräfenhausen eröffnet. Zunächst herrschte die Beize vor, zu der Jägermeister Kreuz Anfang Oktober dem Sohne Graf Philipps von Katzenelnbogen Juncker Philipp von Katzenelnbogen zwei Falken nach Darmstadt brachte; zwei weitere Falken kamen von Graf Ulrich von Württemberg, die nach achttägiger Beize durch den Vogler Christian zurückgeführt wurden, als ein wertvoller Habicht, den der mainzer Erzbischof Diether von Isenburg schenkte, einen gewissen Ersatz für sie bot. Ende Oktober aber wurde auch die Saujagd eröffnet, und nachdem die Hundeknechte die Rüden gesammelt und Graf Philipp von Katzenelnbogen die Waidleute, Knechte und Hunde in Oberramstadt zusammengezogen hatte, durchstob die Hetze die grossen, nördlich von Ramstadt gelegenen Forsten, und schon nach wenigen Tagen führte ein Bauer aus Messel eyn suw uß dem walde, hatte myn gnediger jungherr gefangen! Nach diesem Auftakt erfuhr die Sauhetze zunächst eine Unterbrechung; die Falknerei beherrschte wieder das Feld. Anfang November begab sich der Jägermeister Kompe von Schwalbach aus, wo er mit seinem Herrn gebeizt hatte, mit Knechten und vorliegenden Hunden nach Rüsselsheim, blieb hier vom 8. bis zum 12. November liegen und ritt dann in die Beizreviere bei Dornberg und Stadecken, während gleichzeitig andere gräfliche Falkner in Gräfenhausen mit Habichten jagten, die der Vogler Christian Ende November nach Oberramstadt überführte, wo die Beize beschlossen und die Saujagd aufs neue eröffnet wurde, nachdem sich der Jäger Seitz dort Anfang Dezember mit der Saumeute eingestellt hatte. Die Leitung dieser großen winterlichen Sauhetzen im Schlichter lag in den Händen des Jägermeisters Konrad, die Jäger Seitz und Jörg unterstützten ihn und die Hundeknechte Niklas von Bessungen, Peter Heim, Peter Moltz und Hein Heinckel führten die Saurüden. Die Jagd scheint, nach der Größe der Meuten und den Belohnungen der Jäger durch den Grafen zu schließen besonders erfolgreich gewesen zu sein und ging - von einigen Ruhepausen abgesehen - erst im Januar 1452 zu Ende, als der bamberger Domherr von Streitberg wieder einen Wanderfalken, Vogelhunde und verschiedene Beizgeräte nach Darmstadt bringen ließ und somit die Vorbereitungen zu den Beizen des Frühjahrs einleitete.

Die Schilderungen dieser Beizen und Hetzen, sind jedoch nicht nur von jagdlichem Interesse, sie zeigen darüber hinaus, wie sehr Waidwerk und Falknerei ein edles, männliches Vergnügen waren, das insbesondere den im Kampf erprobten und daher an Freiheit und Weite gewohnten Leben vieler katzenelnbogener Grafen auf heimatlichem Boden eine entsprechende und begehrte Form der Unterhaltung während ruhigerer Tage bot, und sie tun vorallem dar, dass der Jagd auch eine hervorragende gesellschaftliche Bedeutung beizumessen ist und ihr eine wichtige Stellung im kulturellen Gefüge des höfischen Lebens zukommt. Die Beizen boten nicht nur eine ausgezeichnete Unterhaltung von hohen gesellschaftlichen Formen und Werten für Freunde und Gäste der Grafen, an der gelegentlich auch die Frauen beteiligt waren, wie aus Rechnungsnotizen und den Falkenjagdfrauensiegeln sicher zu entnehmen ist; die durch die Jagd vermittelten Beziehungen bildeten vor allem einen wichtigen Bestandteil der persönlichen Verbindungen der Katzenelnbogener mit den benachbarten Fürsten und Herren überhaupt. Die ständigen gegenseitigen Unterstützungen mit Beizvögeln, Hunden und Jagdgeräten zeigen dieses in eindringlicher Weise, ja auf keinem anderen Gebiete läßt sich aus den vorliegenden Quellen ein nur etwa gleich lebhafter Verkehr mit den Nachbarn ermitteln. Der hohe Wert, den gut gezogene Beizvögel jederzeit dargestellt haben, macht sie zu beliebten Objekten höfischer Aufmerksamkeiten und Geschenke, und die hierdurch zum Ausdruck kommenden persönlichen Beziehungen und Verpflichtungen dürfen nicht unterschätzt werden.

Jedoch übte die Jagd außer diesen auch noch andere kulturelle Funktionen aus. Das lehrt ein rheinfelser Inventar aus dem 15. Jahrhundert, denn aus ihm

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ergibt sich die unbedingte Vorherrschaft der Jagdtrophäe als Schmuck der Burg. Fast in jedem Aufenthaltsraum von Bedeutung findet sich ein aufgesetzter Reh- oder Hirschkopf, Gehörne oder Geweihe. Insgesamt sind außer einigen nicht näher bezeichneten Stangen 162 Köpfe und Gehörne aufgeführt, davon 85 Rehe, 61 Rot- und 3 Damhirsche, 7 Gemsen und 3 Elche, und von diesen hingen 37 Reh- und 15 Hirschtrophäen allein im großen Saal, dessen Leuchter gleichfalls aus Geweihstangen verfertigt waren. Daneben fand sich noch ein kleiner Leuchter gleicher Art, doch waren schon 1426 mehrere für die Burg angeschafft worden.

Nun beschränkte man sich jedoch keineswegs darauf, nur Geweihe zu sammeln, sondern zeigte gleiches Interesse an der Erwerbung fremder und einheimischer gezähmter Wild- und Vogelarten, die man zur Unterhaltung auf den Burgen hegen konnte. Wir hören davon, dass den Grafen oder Gräfinnen Wildschweine und Rehwild, aber auch einmal ein Bär, ja sogar ein Affe oder ein Papagei geschenkt worden sind, und wir sind gleichfalls darüber unterrichtet, dass es zur Zeit Graf Philipps von Katzenelnbogen nicht weniger als vier katzenelnbogener Tiergärten gab, und zwar auf Rheinfels, Hohenstein, in Hadamar und in Darmstadt, wo man Rehe und Gemsen, Wildschweine und Hirsche, aber auch Schwäne und Pfauen gehalten hat.

Damit möchte ich die Ausführungen über die Falknerei und Jagd am Katzenelnbogener Hofe beschließen, um Sie zuletzt noch einmal über die Grenzen seines Landes hinaus wieder in jene Weiten zu führen, in die das Leben so vieler katzenelnbogener Grafen verstrickt war. Ich will zum Schluß noch einiges über ihre Reisen berichten. Dabei sollen die kleineren Fahrten in Deutschand nur kurz gestreift werden, denn diese häufen sich so sehr, dass es schwer wird, Ihnen größeres Interesse abzugewinnen. Viel ließe sich über die im 15. Jahrhundert häufig bezeugten Badereisen der Grafen und Gräfinnen berichten, die ins Wildbad im Schwarzwald oder nach Aachen, nach Bad Ems oder nach Wiesbaden führten, wo besonders der Erbe von Katzenelnbogen, Landgraf Heinrich von Hessen III, öfters zu finden war. Noch mehr wäre über die bunte Kette der Fahrten auf dem Rhein zu sagen, den die Katzenelnbogener mit einer stattlichen Anzahl eigener Schiffe befuhren. Endlos ist die Zahl ihrer Fahrten nach Koblenz, Bonn, Köln oder Düsseldorf zu politischen Zusammenkünften oder Geschäften, zu Turnieren oder anderen festlichen Treffen. Von hier aus ging es dann oft wieder nach Jülich und Aachen, nach Brabant oder Holland. Rheinaufwärts waren Oppenheim, Worms und Speyer vielbesuchte Ziele. Eine große Anziehungskraft übte der pfalzgräfliche Hof in Heidelberg aus. Regelmäßig sahen die dort veranstalteten Turniere die katzenelnbogener Grafen mit einem großen Aufgebot an Rittern und Knechten, und hin und wieder erreichte es solche Ausmaße, dass sich die Grafen dazu Pferde von benachbarten Herren, den Herzögen von Jülich und Berg, den Grafen von Mörs und anderen ausliehen. Ja es läßt sich sogar nachweisen, dass die Grafen nicht nur Pferde aus den Niederlanden, sondern auch aus Ungarn bezogen haben.

Aber der Weg der katzenelnbogener Grafen velief sich nicht in Bereiche der benachbarten Städte und Territorien; ich wies schon Eingangs auf den größeren Raum ihrer Beziehungen hin, der sich nach Mähren und Livland, nach Brabant und Italien erstreckte. Da ich hierüber aber schon in anderem Zusammenhange berichtet habe, kann ich mich jetzt auf das eine abschließende Kapitel der Orientfahren der katzenelnbogener Grafen beschränken.

Wir wissen von sechs solcher Reisen. Die erste habe ich schon kurz erwähnt, die Teilnahme Graf Hermanns von Katzenelnbogen als Bischof von Münster an dem bekannten Kreuzzuge Barbarossas in den Jahren 1189/90. Graf Hermann ging zu dessen Vorbereitung im Jahre 1189 zusammen mit den Grafen Rupert von Nassau und Heinrich von Diez als Gesandter des Kaisers nach Konstantinopel und vermochte hier aus dem Verrat der Griechen nur mit Mühe sein Leben

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zu retten, gelangte aber doch nach dem Tode des Kaisers Friedrich I. Barbarossa und dem Zusammenbruch des ganzen Unternehmens wieder glücklich nach Deutschland zurück.

Wenige Jahre darauf ging Graf Berthold von Katzenelnbogen den selben Weg. Der Geschichtsschreiber des vierten Kreuzzuges Geoffroy de Villehardoin erzählt, dass während der kriegerischen Vorbereitungen des Jahres 1202, die mit der Erstürmung Konstantinopels endeten, in Venedig mit dem Bischof von Halberstadt und einer Reihe anderer deutscher Ritter auch die Grafen Diether von Diez und Berthold von Katzenelnbogen angekommen seien und sich noch im gleichen Jahre nach Konstantinopel eingeschifft hätten. Dieses wurde im Jahre 1203 erobert und dort durch Erhebung des Grafen Baldewin von Flandern das Lateinische Kaiserreich begründet. Neben Baldewin hatte sich vor allem der Markgraf Bonifatius von Montferrat an diesem Zuge beteiligt, und zu ihm war Graf Berthold von Katzenelnbogen in engere Beziehungen getreten. Bei einer Entzweiung zwischen Kaiser und Markgraf stand Berthold von Katzenelnbogen auf dessen Seite, eroberte mit diesem die Stadt Didymoteichon und belagerte Adrianopel.. Nach der Schlichtung des Zerwürfnisses kehrte Berthold von Katzenelnbogen nach Konstantinopel zurück und lebte dort noch im Jahre 1211, denn damals beschwerte sich das Kapitel der dortigen Sophienkirche bei Papst Innozenz in Rom darüber, dass sich Graf Berthold von Katzenelnbogen verschiedene Besitzungen der Kirche sowie die Witwe des Markgrafen von Montferrat angeeignet habe. Der Papst forderte damals den Bischof von Herakleia auf, den Grafen zur Herausgabe des Kirchengutes zu veranlassen; mit welchem Erfolge wissen wir nicht, und ebenso ist es unbekannt, ob Graf Berthold von Katzenelnbogen jemals nach Deutschland zurückgekehrt ist; wahrscheinlich ist er in Konstantinopel gestorben.

Die dritte uns bekannte Orientfahrt unternahm Graf Diether von Katzenelnbogen IV (St) in den Jahren 1219/20. Als Graf Diether von Katzenelnbogen IV (St) im Jahre 1219 das Kloster Eberbach vom Zoll zu St. Goar befreite, sagte er von sich, dass er mit dem Zeichen des Kreuzes versehen sei und im Begriff stünde, über Meer zu fahren. Er hat seine Absicht wahr gemacht und ist unmittelbar darauf nach Ägypten gegangen, wo 1219 die Stadt Damiette von Kreuzfahrern erobert worden war. Danach aber verlief sich das schlecht geführte Unternehmen ins Planlose, und Graf Diether von Katzenelbogen IV (St) faßte daher im Jahre 1220 mit einem größeren Teil des Heeres, das sich ihm unterstellte, den Entschluß, gegen den Willen des päpstlichen Legaten Pelagius, der unrechtmäßigerweise die Führung des Heeres an sich gebracht hatte, nach Hause zurückzukehren. Vergeblich von diesem bewegt, zurückzubleiben, bestieg Diether mit den ihm folgenden Pilgern das Schiff, um über Zypern nach Thessaloniki zu gelangen. Er erreichte sein Ziel jedoch nicht. In den zyprischen Gewässern stießen Graf Diether von Katzenelnbogen II und seine Genossen auf sarazenische Piraten, die das Schiff nach einem mörderischen Kampf enterten und verbrannten. Fast die ganze Besatzung ging zugrunde, und nur wenigen, darunter Graf Diether von Katzenelnbogen II, glückte es schwimmend das Land zu gewinnen. Den weiteren Verlauf der Heimreise, der wahrscheinlich abenteuerlich und mühsam genug war, erfahren wir nicht, da der Verfasser der Historia Damiatina, der kölner Scholaster Oiverisus, der selbst jenen Zug mitgemacht hatte, hier in seiner Erzählung abbricht. Jedenfalls erreichte Diether von Katzenelnbogen den heimatlichen Boden wieder, da er seit 1222 wieder in seiner Grafschaft bezeugt ist.

Sein Sohn, Graf Diether von Katzenelnbogen III. ist gleichfalls in diesem Zusammenhang zu erwähnen. Dieser hatte im Jahre 1254 aus uns unbekannten Gründen den mainzer Erzbischof Gerhard von Eppstein (St) gefangen genommen und einige Tage in Haft gehalten. Er war deshalb exkommuniziert worden und wurde förmlich erst 20 Jahre später wieder vom Bann gelöst, nachdem er dem mainzer Erzbistum ausreichende Genugtuung geleistet hatte. Die ihm kraft päpstlicher Ermächtigung erteilte Absolution legte ihm jedoch die Verpflichtung auf, entweder selbst eine Wallfahrt nach Jerusalem zu machen oder aber zwei geeignete mit

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Pferden und Waffen wohlversehene Ritter zur Unterstützung des heiligen Landes für die Dauer von zwei Jahren dorthin zu entsenden. In welcher Weise Graf Diether von Katzenelnbogen V (St) seiner Sühneverpflichtung nachgekommen ist, ob er selbst nach Jerusalem gegangen ist oder stattdessen zwei Ritter entsandt hat, entzieht sich unserer Kenntnis. Es ist jedoch festzustellen, daß Graf Diether von Katzenelnbogen V (St) erst im Februar des nächsten Jahres wieder urkundlich in seiner Heimat bezeugt ist, so dass es durchaus möglich erscheint, dass er selbst im Jahre 1274 in Jersusalem geweilt hat.

Auch über die nächst der uns bekannten Fahrten eines Katzenelnbogener Grafen in die Morgenländer ist weniger zu sagen. Am 10. Juni 1374 erlaubte der Kardinal Johannes Graf Eberhard von Katzenelnbogen V (St), mit 20 Begleitern das heilige Grab und andere geweihte Stätten jenseits des Meeres zu besuchen. Es handelte sich hierbei also offensichtlich um eine aus persönlichem Interessen beabsichtigte Palästinareise Graf Eberhards von Katzenelnbogen V (St), die er auch ausgeführt hat, wie eine Bemerkung der Limburger Chronik erweist.

Die gleichen persönlichen Motive lagen auch der sechsten und letzten uns bekannten Orientfahrt eines Katzenelnbogeners zu Grunde. Über diese Reise, die Graf Philipp von Katzenelnbogen (St) in den Jahren 1433/34 ausführte, ließ er eine uns erhaltene Aufzeichung anfertigen, die als eine der ältesten deutschen Reisebeschreibungen ein besonders prägnantes Denkmal der Kultur des Katzenelnbogener Hofes geworden ist. Und als Graf Philipp von Katzenelnbogen (St) mehr als 40 Jahre später eines Tages mit Fürsten, Grafen und Herren, darunter seinem alten Freund und Waffengefährten, dem mainzer Erzbischof Diether von Isenburg (St),in Bad Ems zusammensaß und man sich in der Muße des Bades durch Vorlesen unterhielt und dabei auch wieder diesen Reisebericht vortragen hörte, da forderte der mainzer Erzbischof Diether von Isenburg (St) den in seinem Gefolge weilenden Dichter Eberhard Wahnschaffe auf, diese Reise Graf Philipps von Katzenelnbogen (St) nach der vorhandenen Beschreibung in Versen zu erzählen. Auch diese Dichtung ist erhalten und in mehreren Handschriften überliefert, so dass wir über die Fahrt vorzüglich unterrichtet sind. Ich will Ihnen darüber wenigstens einige wenige Mitteilungen machen.

In Begleitung von zehn Reisegefährten verließ Graf Philipp von Katzenelnbogen (St) am 14. Juli 1433 Darmstadt und ritt über Ulm, Innsbruck, Ampezzo, Teviso nach Venedig. Hier langte er mit seiner Gesellschaft am 30. Juli an, ging am 10. August an Bord und erreichte nach einer guten und schnellen Überfahrt am 25. Kreta. Von dort fuhr das Schiff nach einem vierzehntägigen Aufenthalt, der der Besichtigung dieser berühmten Insel galt, am 7. September nach Alexandria in Ägypten weiter, wo es am 11. September vor Anker ging. Von Alexandria ritt Graf Philipp von Katzenelnbogen (St) zum Nil und fuhr zu Schiff nach Kairo, wo er acht Tage später eintraf. Auf dieser Fahrt erregten die lintworme, d. h. die Krokodile, die auf den Flußinseln lagen, die Aufmerksamkeit der Reisenden und in Kairo bewunderten sie Giraffen und andere Vertreter der afrikanischen Großtierwelt. Ein Elefant erregte ihr besonderes Erstaunen und der Chronist bemerkte über ihn, der was also große, das es unsegelich ist. Nach einem Besuch der Pyramiden fuhr der Graf mit seinem Gefolge am 22. September von Kairo wieder stromaufwärts nach dem Kloster in Derizamesa. Dort bestiegen sie die bereitgestellten Kamele, um auf einem mehrtägigen Ritt durch die Wüste verschiedene geweihte Stätten zu besuchen. Am 4. Oktober trafen sie schließlich wieder in Kairo ein. Hier rasteten Graf Philipp von Katzenelnbogen (St) und seine Gefährten eine Woche, in der eine neue Kamelkarawane zusammengestellt wurde, die sie zunächst quer durch die Wüste nach dem Roten Meer führte. Sie übernachteten dabei so dicht am Gestade, dass sie Muscheln als Erinnerungsstücke mit nach Hause bringen konnten. Ihr eigentliches Ziel war aber der Sinai, auf dem sie nach einem beschwerlichen Zuge am 24. Oktober anlangten. Nach diesem vierzehntägigen Ritt gönnten sie sich eine kurze Rast, und in diesen Tagen ließ sich Graf Philipp von Katzenelnbogen (St) von seinem Gefährten

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und Freund, dem Ritter Bernhard Kreis von Lindenfels, auf dem Sinai zum Ritter schlagen und erteilte anschließend vier weiteren seiner Gefährten den Ritteschlag, darunter seinem späteren obersten Amtmann und Kanzler Daniel von Mudersbach. Vom Sinai brachen die Reisenden am 27. Oktober nach Jerusalem auf, erreichte nach achttägigem Ritt durch dier Wüste nach Norden, auf dem sie sehr unter Wassermangel zu leiden hatten, am 4. November Gaza am mittelländischen Meer, passierten am 11. November Bethlehem und waren am 12. November - vier Woche nach ihrem Aufbruch von Kairo - endlich am Ziel: in Jerusalem. Hier hielten sie sich etwa acht Tage auf, unternahmen aber häufig Ausflüge zum Besuche der zahlreichen heiligen Orte in der Umgebung der Stadt, von denen der Reisebericht Dutzende aufzählt. Am 20. November verließ dann Graf Philipp von Katzenelnbogen Jerusalem und bestieg zwei Tage später in Joppe wieder das Schiff zur Heimreise. Es kam aber anders, denn schon am folgenden Tage erlitt er Schiffbruch. Er vermochte sich und seine Gefährten jedoch zu retten, änderte aber nun, wahrscheinlich durch die schweren Stürme bewogen, zunächst seinen Plan ab und ritt nach Damaskus, das mit seinen zahlreichen geweihten Stätten gleichfalls eingehend besichtigt wurde. Von dort kehrte die Gesellschaft dann im Verlaufe des Dezembers über Beirut an die Küste zurück, stieg am 6. Januar 1434 erneut zu Schiff und landete am 12. Januar wohlbehalten auf Rhodos. Am 16. Januar 1434 verließen sie die Insel und begannen damit eine abenteuerliche, durch viele und schwere Stürme bedrohte Heimfahrt, auf der die Heimfahrer mehrere Male weit abgetrieben, ja verschlagen wurden, bis sie endlich über Kreta und Korfu nach Italien zurückgelangten, dessen Boden sie am 5. März nach einer dreimonatigen Seefahrt bei Revigno wieder betraten. Von hier aus brachen sie nunmehr unmittelbar wieder nach Deutschland auf. Der Heimritt führte über Padua, wo Graf Philipp von Katzenelnbogen (St) die Universität besichtigte, nach Venedig und von hier über die gleiche Straße, die sie einst südwärts geführt hatte, über Treviso, Ampezzo, Toblach nach Augsburg, ging nun jedoch nicht gleich in die Heimat zurück, sondern vorerst über Nürnberg, Erfurt, Magdeburg zu der berühmten Wallfahrtstätte in der Mark Brandenburg, zum heiligen Blute in Wilsnack, das Graf Philipp von Katzenelnbogen (St) auch im April 1452 noch einmal besuchte. Wahrscheinlich erfüllte der Graf mit dieser besonderen Wallfahrt ein Gelübde, das er während der stürmischen Heimreise bei glücklicher Heimkehr zu erfüllen gelobt hatte, und vielleicht erklärt es sich aus dem gleichen Grunde, dass er von Wilsnack nicht unmittelbar heimkehrte, sondern erst noch über Tangermünde, Naumburg, Eisenach, Kassel nach Marburg und von hier nach Aachen zog, die ja beide bekannte mittelalterliche Wallfahrtsorte gewesen sind. Von dort kehrte Graf Philipp von Katzenelnbogen (St) endlich nach Rheinfels zurück, wo er am 3. Mai 1434 wohlbehalten wieder eintraf.

Damit bin auch ich am Ausgangspunkt meines Berichtes angelangt. Er hat Sie nach einer knappen Erläuterung der territorialen und wirtschafltichen Verhältnisse der Grafschaft aus ihren Grenzen mit ihren Herren von Böhmen und Mähren bis nach Brabant und mit dem Dienste der Grafen für Kaiser und Reich bis nach Italien und in den Orient geführt. Sie haben das kulturelle Leben des Katzenelnbogener Hofes im Spiegel der gräflichen Bibliothek, des kostbaren Silberschatzes und der prachtvollen Seidenstickereien gesehen; Sie haben an Ausschnitten aus dem bewegten und reichen Lebens der Grafen teilgenommen, von ihren täglichen und festlichen Beziehungen zu Dienern und Gästen gehöt, die große Rolle, die Falknerei und Jagd an diesem Hofe spielten, erlebt und von dem unvergänglichsten Zeugnis der Katzenelnbogener Kultur, von der Liebe der Grafen zu Dichtung und Musik, erfahren. Ich darf daher die mir gestellte Aufgabe, Sie über Kultur und Leben am Hof der Katzenelnbogener Grafen zu unterrichten als erfüllt ansehen, wenn es mir möglich war, Ihnen damit die Schönheit einer durch die Ferne vergangener Jahrhunderte in ihrem Glanze zwar gedämpften, aber doch noch immer leuchtenden Blüte deutscher mittelalterlicher Kultur nahezubringen.